Kalifornische Sinfonie
gerade die Art Namen, die ihr vorschwebten.
Florinda dachte angestrengt nach; plötzlich lächelte sie. »Warum fragst du nicht Texas?« sagte sie; »er weiß vielleicht etwas Passendes.«
»Ich habe noch nicht daran gedacht«, versetzte Garnet. »Meinst du, es würde ihm Freude machen, meinem Kind einen Namen zu geben?«
»Ich glaube, es würde ihm eine ganze Menge bedeuten«, versicherte Florinda. Sie legte eine gedankenvolle Pause ein und setzte hinzu: »Texas hat irgend etwas im Sinn.«
»Ist dir das auch aufgefallen?«
Florinda nickte: »Ich weiß nicht, was es ist. Aber ich weiß, daß er dich sehr leiden mag und sehr viel von dir hält. Vielleicht, wenn du ihm durch so eine Geste zu verstehen gäbest, daß auch du ihn magst, – ich könnte mir denken, daß ihm das innerlich hilft. Er schleppt irgend etwas mit sich herum.«
»Oh, Florinda, es ist gut, daß du mir das sagst. Ich will ihn noch heute fragen.«
Die Gelegenheit ergab sich schon am Nachmittag, während Florinda in der Bar weilte. »Texas«, sagte Garnet, »würden Sie mir helfen, einen Namen für meinen kleinen Jungen zu finden?«
Texas’ Gesicht strahlte auf. Er setzte sich schweigend auf die Wandbank und zog die Stirn in Falten, sein steifes Bein gerade ausstreckend. Er konnte das Knie zwar ein wenig beugen, aber nicht so viel, um seine Steifheit zu verbergen.
»Wüßten Sie nicht irgendeinen Mann, den Sie besonders achten oder bewundern?« fragte Garnet. »Einen Mann mit sauberem klarem Charakter, einen, auf den ein Junge stolz sein kann, dessen Namen er gern trägt?«
Texas strich sich den Bart. »Ja, Madam«, sagte er leise, »so einen Mann wüßte ich wohl.« Er sandte ihr ein schüchternes Lächeln. »Sie sollten den Jungen Stephen Austin nennen«, sagte er.
»Stephen Austin?« wiederholte Garnet zweifelnd. »Ich wüßte nicht, daß ich einen bedeutenden Mann dieses Namens kenne.«
»Es ist der Mann, der die Republik Texas begründete«, sagte der Mann, der sich selbst Texas nannte. »Ein Mann von starken Nerven, Miß Garnet. Ein Mann, dem alles gelang, was er wollte. Sein Vater hatte als erster Amerikaner die Landbewilligung für Texas erhalten, um dort eine amerikanische Niederlassung zu begründen. Aber der Vater starb früh, und es war Stephen Austin, der die ersten Amerikaner ins Land brachte. Damals war er erst sechsundzwanzig Jahre alt. Später stand er an der Spitze der revolutionären Bewegung, die Texas aus der mexikanischen Sklaverei befreite und es zu einem freien Land machte.« Texas’ Stimme zitterte vor innerer Erregung, während er sprach.
Garnet hörte die heimliche Bewunderung aus seinen Worten heraus und fragte: »Kannten Sie ihn?«
»Ja, Madam, ich kannte ihn«, sagte Texas. »Ich erinnere mich seiner noch aus der Zeit, da ich ein Junge war. Er war ein guter Freund unserer Familie. Ja, um es auszusprechen« – sein Kinn hob sich wie in unbewußtem Stolz – »wir gehörten zu den Familien, die zusammen mit ihm nach Texas zogen.«
»Dann sind Sie gar nicht in Texas geboren?« fragte Garnet.
»Nein, Madam. Ich bin in Mississippi geboren. Als ich geboren wurde, lebten noch keine Amerikaner in Texas.« Er lächelte, und seine warmen braunen Augen bekamen einen sehnsüchtigen Glanz, während er weitersprach: »Ich war elf Jahre alt, als wir mit Stephen Austin nach Texas zogen. Er war ein großartiger Mann, Miß Garnet, einer der Männer, auf die Jungen stolz sein können.«
»An so einen Mann dachte ich«, sagte Garnet. »Ich danke Ihnen, Texas. Mein Kind wird den Namen Stephen Austin Hale tragen.«
»Gut«, sagte Texas, »gut!« Er blickte auf das Körbchen hinab und streckte seine Hand aus, um sacht über die Decke zu streichen. Nach einer kleinen Pause des Schweigens erhob er sich und machte so etwas wie eine linkische Verbeugung. »Miß Garnet«, sagte er, »ich danke Ihnen, daß Sie mir erlaubten, Ihrem Kind einen Namen zu geben. Es war mir eine sehr große Ehre.« Er steckte die Hände in die Taschen und stand ein bißchen hilflos in der Mitte des Zimmers, als wisse er nicht recht, was er nun beginnen solle. Endlich sagte er mit einem verlegenen Lächeln im bärtigen Gesicht: »Ich glaube, ich muß in die Küche und mir etwas zu essen geben lassen.«
Er öffnete die Tür, blieb aber auf der Schwelle noch einmal stehen, sah auf Garnet und das Kind zurück und streifte beide mit einem so schmerzlich sehnsüchtigen Blick, daß es Garnet fast weh tat. Als die Tür sich hinter ihm geschlossen hatte,
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