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Kalifornische Sinfonie

Kalifornische Sinfonie

Titel: Kalifornische Sinfonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Bristow
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stützte den Kopf in die Hand. Texas tat ihr so leid. Sie begriff zwar nicht, warum er heute das Bedürfnis fühlte, sich zu betrinken, aber sie fühlte instinktiv, daß sie mit dem Begreifen auch den Schlüssel zu seinem elenden, armseligen und verschwendeten Leben gefunden hätte.
    Das Kind erwachte und begann zu schreien. Stephen war hungrig und seine Windel war naß. Es war das erstemal, daß Texas das Kind vergessen hatte. Garnet wechselte die Windel, nahm das Kind mit in ihr Bett und reichte ihm die Brust. Es fiel ihr sehr schwer, das alles ohne Texas’ Hilfe tun zu müssen.
    Ganz Los Angeles war in Aufruhr. Von allen Seiten drang der Lärm an Garnets Ohr: Aus der Bar unter ihr, aus den benachbarten Weinstuben und auch aus Estelles Etablissement sechs Häuser weiter rechts. Und auch die Straßen und Plätze waren voll jubelnder, lärmender und begeisterter Menschen. Jedermann in Los Angeles schien sich heute zu freuen. Nur Texas, dachte Garnet, Texas freut sich nicht.
    Allgemach begann der Tag zu verdämmern. Das Licht auf den Wandbespannungen des Zimmers wechselte vom strahlenden Gold in tiefes Rot, wandelte sich in Blau und verschwand schließlich ganz, einem düsteren Grau weichend. Der Fußboden zitterte von der ausgelassenen Fröhlichkeit, die in den unteren Räumen herrschte. Garnet gähnte und drehte sich auf die Seite. Sie war müde. Sie war auch hungrig, denn sie hatte seit dem Mittag nichts mehr zu essen bekommen. Stephen wachte ab und zu auf und schrie; dann beruhigte sie ihn sacht und wiegte ihn wieder in Schlaf. Der Hunger steigerte sich und ihr Kopf begann zu schmerzen.
    Es war schon völlig dunkel, als Florinda ihr endlich etwas zu essen brachte. Florindas Haar war gelöst und wallte ihr über die Schultern, sie hatte Schnapsflecke im Kleid, dessen einer Ärmel halb ausgerissen war. Sie trug in einer Hand eine Kerze und in der anderen eine Schüssel Bohnen.
    »Oh, Liebe, es tut mir so leid«, sagte sie, während sie die Kerze abstellte und Garnet ein Handtuch reichte, damit sie es sich als Serviette unter dem Kinn befestigen könne. »Du mußt ja schon halb verhungert sein. Schnell, iß etwas! Ich wasche mir nur die Hände, dann nehme ich dir das Kind ab.«
    Garnet dankte und begann zu essen. Als Florinda sich im Spiegel erblickte, lachte sie kreischend auf: »Hallo, wie sehe ich denn aus! Aber bei den vielen Soldaten und Matrosen, die ich am Hals hängen hatte, ist es ohnehin ein Wunder, daß ich noch einigermaßen heil bin. Aber sie sind nett, die Boys. Wirklich, Garnet, prachtvolle Burschen!« Sie goß Wasser in die Waschschüssel und rollte ihre Ärmel hoch. »Und außerdem«, lachte sie, »sie verstehen ihr Geld auszugeben.«
    »Was meinst du, wie lange werden sie noch bleiben?«
    »Ich weiß nicht. Ich nehme an, die Offiziere haben eine bestimmte Sperrstunde eingerichtet. Mir ist das egal. Ich werde ihnen so lange etwas eingießen, wie sie dafür bezahlen. Oh, das ist Micky«, unterbrach sie sich, als es an der Tür klopfte. Sie ging hin, um zu öffnen, und es war tatsächlich Micky, der ihr ein Tablett gab. »Micky hat uns Tee gebracht«, sagte sie »Micky ist ein Prachtbursche.« Sie nahm das Kind aus Garnets Bett, machte es ihm in seinem Körbchen bequem und setzte sich auf die Wandbank, um den Tee einzugießen. Ein Weilchen tranken beide schweigend ihren Tee; dann fragte Garnet nach Texas.
    Florinda zuckte bedauernd die Achseln. Texas war betrunken. Er war sogar schwer betrunken. »Und außerdem hatte er seine weinerliche Tour«, sagte Florinda. »Er hockte in einer Ecke auf dem Fußboden mit der Flasche in der Hand, und die Tränen liefen ihm in den Bart. Ich habe das schließlich nicht mehr sehen können und habe den Boys einen Wink gegeben, ihn nach Hause zu bringen.« Dies also war der Grund, warum Garnet kein Abendessen bekommen hatte. Florinda hatte die Bar nicht verlassen können, bis die Boys zurück waren. Aber die hatten Texas sicher nach Hause gebracht und seine Wirtin, Señora Vargas, hatte versprochen, sich um ihn zu kümmern. Texas bezahlte ihr eine gute Miete und sie war an seine Eigenheiten gewöhnt.
    »Mache dir keine Sorgen«, sagte Florinda. »Sei nur nett zu ihm, wenn er wiederkommt.« Dies sei sehr wahrscheinlich alles, was man für Texas tun könne, meinte sie, und Garnet mußte ihr zustimmen. Sie wußte nicht, wie sie ihm hätten helfen können.
    Vierunddreißigstes Kapitel
    In der Folge erwies sich, daß die Besetzung von Los Angeles nicht ganz so reibungslos

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