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Kalifornische Sinfonie

Kalifornische Sinfonie

Titel: Kalifornische Sinfonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Bristow
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traurig, obgleich er es nicht begreift.
    Nach Garnet wurde gerufen, und sie mußte sich abwenden. In der nächsten Stunde war sie sehr beschäftigt. Sie schenkte Whisky, Wein und Aguardiente aus, sie lehnte einen Heiratsantrag ab und nicht lange danach einen weniger ehrbaren Antrag, und schließlich kam José zurück und schaffte den betrunkenen Texas aus der Bar heraus.
    Die Mitternachtsstunde war nicht mehr weit, und die meisten Gäste hatten sich bereits verlaufen. Der größte Teil der Soldaten mußte lange vor Mitternacht aufbrechen. Major Lyndon war auch schon gegangen, aber Captain Brown war noch da. Er stand in nachlässiger Haltung gegen den Bartisch gelehnt und sah noch immer mit versonnenem Blick nach der Ecke hinüber, wo Texas gesessen hatte, als vermöchte er seine Gedanken noch nicht von dem, was er dort gesehen, zu lösen. Ein anderer Offizier betrat das Lokal, trat zu Brown heran und sagte ihm, er könne jetzt gehen; er werde an seiner Stelle bis zum Lokalschluß hierbleiben und auf die Männer achten. Captain Brown nickte und richtete sich auf. Als er sich der Tür zuwandte, sprach Garnet ihn an.
    »Captain Brown?« sagte sie.
    Er sah sich überrascht um: »Riefen Sie mich?«
    Garnet nickte; sie mußte schlucken ob ihrer eigenen Kühnheit. Seine Beziehung zu Texas ging sie ja nichts an, und sie wußte ja auch nicht, wie er ihre Einmischung auffassen würde, aber sie konnte nicht anders, sie mußte es tun. »Erlauben Sie bitte eine Bemerkung, Captain«, sagte sie leise; sie mühte sich, ihre Unsicherheit und Schüchternheit so gut wie möglich zu verbergen.
    »Ja?« sagte Captain Brown. Er zeigte ein höflich korrektes Gesicht, das Gesicht eines Mannes, der einer Frau gegenüber in jedem Falle die Höflichkeit wahrt, solange es irgend geht; aber man sah, daß er nur ungern zur Bar zurückkam. Garnet sagte leise, um die Aufmerksamkeit der anderen nicht zu erregen:
    »Ich wurde vorhin zufällig Zeugin Ihres Gesprächs mit Major Lyndon. Ich wollte nicht lauschen, aber –
    »Entschuldigen Sie sich doch nicht«, sagte Brown, »ich zweifle nicht daran. Und übrigens haben wir ja keine militärischen Geheimnisse ausgeplaudert.«
    Sie sah ihn an und sprach nun mit etwas größerem Zutrauen: »Sie erkannten beide anscheinend einen früheren Bekannten wieder. Ich meine den Mann, der vorhin dort drüben am Tisch saß und schlief.« Ihre Augen wiesen in die Ecke neben der Tür.
    »Ja«, sagte Captain Brown, offenbar ein wenig überrascht und gespannt, was da weiter noch folgen werde.
    »Es geht mich natürlich nichts an«, fuhr Garnet fort, »aber bitte, ich wüßte sehr gern, ob vielleicht noch jemand bei der Truppe ist, der den Mann kennt.«
    Captain Brown dachte nach. »Ich – glaube nicht«, sagte er nach einem Weilchen langsam. »Außer Major Lyndon und mir war wohl keiner der Offiziere in jenem Winter in Fort Leavenworth. Aber darf ich fragen, warum Sie das interessiert?«
    »Natürlich dürfen Sie das. Vermutlich denken Sie jetzt, ich wüßte, wer er ist. Aber ich weiß es nicht. Niemand hier weiß es. Ich will versuchen, es Ihnen zu erklären.«
    »Ich bitte darum«, sagte Captain Brown.
    »Der Mann kam vor einigen Jahren nach Kalifornien«, sagte Garnet. »Er hat keinem Menschen seinen Namen genannt und nie irgend etwas von sich selbst erzählt. Wir kennen ihn hier alle nur unter dem Spitznamen Texas.«
    »Den Namen kennen wir auch«, lächelte Brown. »Die Republik Texas war immer sein Lieblingsthema; er konnte stundenlang davon erzählen. Aber ich wollte Sie nicht unterbrechen; bitte, fahren Sie fort.«
    »Jedermann hierzulande mag ihn«, sagte Garnet. »Viele schätzen ihn sehr, und es hat nie jemand versucht, herauszubekommen, wer sich hinter dem Namen Texas verbirgt.«
    Captain Brown hörte mit wachsendem Interesse zu. Garnet fuhr fort: »Sehen Sie, es ist so: Vor dem Kriege sind hier ein paar hundert Männer aus den Staaten und wohl auch aus anderen Ländern zusammengekommen. Sie kamen aus den verschiedensten Gründen. Aber allmählich entwickelte sich unter diesen Männern so etwas wie eine Lebensregel; eine Art Codex, wenn Sie so wollen. Diese stillschweigende Übereinkunft besagte unter anderem: Man muß einen Menschen so hinnehmen, wie er ist. Man frage nie, woher er kommt und was ihn aus der Heimat vertrieb. Man kann einem Menschen vertrauen, oder man kann es nicht. Solange er ein guter Kamerad ist und keinen anderen stört, läßt man ihn ungeschoren und mit seinen eigenen Angelegenheiten

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