Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kalifornische Sinfonie

Kalifornische Sinfonie

Titel: Kalifornische Sinfonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Bristow
Vom Netzwerk:
kleinen schmalen Schlitzen verengt, und ihre Mundwinkel waren in häßlicher Weise nach unten gezogen. Sie hockte auf der Wandbank neben dem Kleiderbündel, das sie eben zusammengelegt hatte, und strich mit ihren Fingern nervös über die Kante der Bank. Garnet sah sie entsetzt an.
    »Wie du ihn hassen mußt!« rief sie aus.
    Florinda hockte da, als seien ihre Glieder erstarrt. Sie atmete schwer, als suche sie sich selbst zu beruhigen. »Ich glaube«, sagte sie leise – und auch ihre Stimme klang gänzlich verändert – »ich glaube, er ist der einzige Mensch, den ich in meinem ganzen Leben wirklich gehaßt habe.« Sie wandte den Kopf mit schwerfälliger Bewegung Garnet zu und fragte: »Hast du jemals einen Menschen so gehaßt?«
    »Nein«, sagte Garnet, »so gewiß nicht.«
    »Versuche nicht, zu ergründen, wie das ist«, sagte Florinda. »Ich liebe die Menschen, Garnet. Gewiß nicht alle; es gibt einige, die ich gar nicht mag. Aber ich hasse sie auch nicht. Ich übertreibe nicht, wenn ich dir sage, daß ich damals Nacht für Nacht erwachte und vor Haß zitterte. Hast du Ähnliches schon einmal erlebt?«
    »Nein«, flüsterte Garnet, »gewiß nicht. Nie.« Plötzlich kam sie sich jung, unreif und unerfahren vor. Das Erleben, an das Florinda sich jetzt erinnerte, mußte furchtbar gewesen sein, mit nichts anderem vergleichbar, das sie je kennengelernt hatte.
    »Wenn du einen Menschen auf solche Weise haßt, das ist, als hättest du ein Folterinstrument in dir«, sagte Florinda. »Du denkst an ihn, und dir ist, als würde dir die Haut vom Leibe gerissen. Deine Haare auf dem Kopf fühlen sich an wie glühende Drähte. Und nun versuche dir vorzustellen, du seiest mit diesem Menschen verheiratet. Du bist dann vollkommen hilflos. Was war eigentlich geschehen? Man war zu zweien nach City Hall gegangen, man hatte ein paar Worte gesprochen und seinen Namen in ein Buch eingetragen. Aber damit hatte man sich selbst in Ketten gelegt, in Ketten, aus denen man nicht mehr herauskam.« Florinda schwieg. Nach einem Augenblick schüttelte sie den Kopf, als wolle sie den Gedanken loswerden, an den sie sich erinnerte. Ein paar kleine noch feuchte Locken fielen ihr in das Gesicht. Sie strich sie sich aus der Stirn und sah Garnet mit einem schrägen Seitenblick an. »Nun«, sagte sie, »ich habe es dir gesagt.«
    Wenn ich ihr doch nur helfen könnte! dachte Garnet. »Florinda«, sagte sie leise, »er kann dir ja nichts mehr tun. Hier draußen am Rande der Welt.«
    Florinda antwortete nicht. Sie sah zu Boden und zupfte an den Rüschen herum, die die Ärmel ihres Nachthemdes zierten.
    »Wo ist er jetzt?« fragte Garnet.
    »Tot«, antwortete Florinda, ohne aufzusehen.
    »Oh!«
    »Ganz sicher und unwiderruflich tot.«
    Garnet starrte sie an und preßte die Faust vor den Mund. »Florinda«, flüsterte sie, »ich glaube – zu verstehen.«
    »Ja, Liebe«, bestätigte Florinda, »das tust du wohl.« Sie hob die Augen und begegnete denen der anderen. Ruhig und mit einer Stimme, die nicht im geringsten zitterte, sagte sie: »Er hieß William Cadwallader Mallory. Ich habe ihn in der Nacht des 16. August 1844 im Alhambra-Spielpalast in Park Row erschossen.«
    Sie faltete die Hände über dem Knie. Die Ärmelrüschen fielen zurück; ihre Hände und Unterarme glichen roher Borke; der Kerzenschein ließ die Narben aufglühen. »Ich habe dich damals in New Orleans nicht belogen«, fuhr sie fort. »Ich habe Selkirk nicht erschossen. Alles, was ich dir damals sagte, war wahr. Es gab nur noch ein paar Dinge außerdem, die ich nicht sagte.« Sie schwieg einen Augenblick und sah dann auf. Ein Lächeln stand auf ihrem Gesicht; es war, als fühle sie sich erleichtert. »Magst du mich nun weniger gern als bisher?« sagte sie.
    »Natürlich nicht!« rief Garnet impulsiv. »Wie kannst du nur so etwas denken!«
    Florinda betrachtete sie nachdenklich. »Nun, Liebe, ich konnte das schließlich nicht wissen«, versetzte sie. »Es gibt Leute, die Mord für ein absolut unverzeihliches Verbrechen halten.«
    Garnet sagte, ohne einen Augenblick zu zögern: »Florinda, du bist der liebenswerteste und dabei der besonnenste und verständigste Mensch, der mir je im Leben begegnete. Wenn du deinen Mann erschossen hast, so bin ich absolut sicher, daß du nicht anders konntest und daß er dieses Schicksal verdiente.«
    Florinda bewegte langsam, wie in großer Verwunderung, den Kopf. »Garnet«, flüsterte sie, »ich glaube, du hast eben das Schönste gesagt, das in meinem

Weitere Kostenlose Bücher