Kalifornische Sinfonie
eines Tages.
John.«
Garnets erster Gedanke war, ein wenig Zeit vergehen zu lassen, bevor sie antwortete. Aber der zweite Gedanke schlug den ersten tot und befahl ihr, sogleich zu schreiben, solange die Wut noch in ihr brannte, weil dieser Mann es fertiggebracht hatte, ihr Herz zum Tanzen zu bringen. Sie fürchtete, wenn sie wartete, möchte ihr bewußt werden, wie sehr sie selber nach ihm verlangte, und dann möchte sie das letzte Restchen Verstand verlieren, das ihr noch verblieben war. Sie nahm Tinte und Feder vom Wandbrett, setzte sich an den Tisch und schrieb:
»Lieber John,
nein. Ob Du nun nach mir verlangst oder nicht. Ich will keine Ehe, die mir wie ein lauwarmer Zwiebackbrei vorkäme. Und ich will auch keinen Mann, der Ehen dieser Art bevorzugt. Ich werde, sobald ich ein Schiff bekommen kann, nach Hause fahren. Unterdessen möchte ich, daß Du mich in Ruhe läßt.
Garnet.«
Sie ging in die Bar zurück und gab Pablo den Brief. Der lächelte, verbeugte sich und ging. Garnet biß die Zähne zusammen und beschäftigte sich damit, die Flaschen abzustauben, während Florinda mit einigen der New Yorker Soldaten plauderte. Florinda fragte nicht, was Pablo gewollt habe. Garnet war überzeugt, daß sie den Briefaustausch bemerkt hatte, und war ihr dankbar dafür, daß sie die Sache mit Schweigen überging. Ein paar Tage später kam Nikolai Grigorievitch aus San Diego zurück. Er war strahlender Laune, hatte er doch gehört, daß ein russisches Pelzschiff an der kalifornischen Küste ankerte. Es hieß, das Schiff würde zunächst in San Franzisko anlegen, um Lebensmittel an Bord zu nehmen. Alsdann würde es nach Alaska aufbrechen. Nikolai befand sich jetzt auf dem Wege nach Norden, um herauszubekommen, wann das Schiff nach Rußland auslaufen würde.
Nachdem Nikolai weg war, saßen Garnet und Florinda in der Küche zusammen und tranken eine Tasse Schokolade.
»Ob Nikolai wohl in Rußland bleiben wird?« sagte Garnet nachdenklich. »Wir werden ihn hier jedenfalls sehr vermissen.«
»Nicht nur wir«, sagte Florinda.
Garnet biß sich auf die Lippen; sie verstand die Anspielung. Sie wußte ja, daß der Russe Johns bester Freund war, und sie wußte auch, daß John ihn noch weit mehr vermissen würde als sie.
»Alle werden ihn vermissen«, stellte Florinda fest und stand auf. »Nun, wir müssen jedenfalls an die Arbeit.«
»Hättest du etwas dagegen, wenn ich erst einmal kurz nach oben ginge, um nach Stephen zu sehen?« fragte Garnet.
»Selbstverständlich nicht«, antwortete Florinda, und Garnet ging dankbaren Herzens die Treppe hinauf. Die kurzen Augenblicke, da sie sich dem gesund und fröhlich in seinem Bettchen spielenden Kind zuwenden konnte, waren ihr immer ein großer Trost. Das Bett hatte Texas gemacht; es war gut und solide aus Holz zusammengefügt. Der Boden wurde durch eine Wildlederbahn gebildet, so daß die darübergelegte Matratze federte. Betten dieser Art hatten hierzulande nur die reichsten Rancheros für ihre Kinder; aber Texas hatte gemeint, für dieses Kind, dem er geholfen habe, auf die Welt zu kommen, sei das Beste gerade gut genug. Lieber Texas! dachte Garnet jedesmal, wenn sie das Bettchen sah, und fühlte dabei einen schmerzhaften Stich. Texas hatte in letzter Zeit wieder schwer getrunken. Er war auch jetzt unten in der Bar. Mit der Flasche vor sich auf dem Tisch, hockte er auf der Wandbank und trank Glas um Glas schweigend in sich hinein, bis er schließlich das Bewußtsein verlor.
Sie ging hinunter in die Bar. Hier hatte es eben einen kleinen Krach gegeben. Ein New Yorker Freiwilliger hatte sich mit einem Angeleno gestritten. Man hätte eigentlich meinen sollen, ein solcher Streit wäre von vornherein ausgeschlossen gewesen, da keiner der beiden auch nur zehn Worte von der Sprache des anderen verstand. Aber da beide getrunken hatten, war ihnen dieser Mangel offenbar gar nicht bewußt geworden. Glücklicherweise waren zwei Offiziere des New Yorker Regiments im Lokal gewesen; die hatten den betrunkenen Soldaten kurzerhand in seine Unterkunft bringen lassen. Der Barboy José hatte sich des streitenden Angelenos angenommen und ihn nach Hause gebracht. Als Garnet den Barraum betrat, war die Ruhe schon wieder hergestellt. Micky war damit beschäftigt, die Bartheke abzuwischen, und Florinda, die eben ein paar Becher Aguardiente ausgeschenkt hatte, ordnete die Flaschen auf den Regalen. Die beiden Offiziere, Major Lyndon und Captain Brown, lehnten mit ihren Trinkbechern in der Hand an der
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