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Kalifornische Sinfonie

Kalifornische Sinfonie

Titel: Kalifornische Sinfonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Bristow
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hergelaufene, berechnende Dirne handeln mußte, die sich meinen Vater wegen seines Geldes und seines guten alten Namens geködert hatte. Und sie waren nunmehr völlig überzeugt davon, daß John Richard ein kompletter, nichtsnutziger Narr sei.
    Mein Vater erwarb ein Haus in Norfolk und warf sein Geld zum Fenster hinaus, um seiner jungen Frau allen möglichen Flitterkram zu kaufen. Unter anderem kaufte er auch ein hübsches Segelboot. Mit diesem Boot waren sie eines Tages unterwegs, als ein Sturm ausbrach. Das Boot kenterte, und meine Eltern ertranken. Die Leichen wurden ein paar Tage später von der Flut an Land gespült. Ich möchte annehmen, die Familie war mit dieser Wendung ganz zufrieden. Der nichtsnutzige Bruder konnte nun wenigstens keine weitere Schande mehr über sie bringen. Onkel Augustus hat vermutlich vor innerer Erleichterung aufgeatmet. Aber nun gab es da noch zwei bedauerliche Umstände. Der böse Bruder nämlich hatte einerseits rund fünftausend Dollar Schulden und einen einjährigen Sohn hinterlassen.
    Augustus und Edith besprachen die Sache miteinander und fanden schließlich, sie seien nicht die Art Leute, die sich ihren Pflichten entzögen. Also bezahlte Augustus die Schulden meines Vaters, nahm das Kind ins Haus und erzog es zusammen mit seinen eigenen Kindern. Und alle Welt versicherte ihnen, daß sie ungewöhnlich edle Menschen seien. Sie fanden das zweifellos selber auch, jedenfalls umgaben sie sich mit ihrem Edelmut wie mit einem Heiligenschein und befleißigten sich, den an Kindes Statt angenommenen Neffen bis zu seinem achtzehnten Lebensjahr in jeder nur möglichen Weise zu foltern.
    Sie quälten mich beileibe nicht körperlich, und sie dachten auch nicht daran, mich etwa hungern oder frieren zu lassen. Sie machten mir nur Tag für Tag klar, was alles sie für mich täten. Sie versuchten mir immer wieder zum Bewußtsein zu bringen, wie nötig ich es hätte, mich gut zu benehmen, und wieviel Dank ich ihnen schulde. Und dann stellten sie jedesmal gleich darauf fest, daß ich leider gar nicht gut und noch weniger dankbar sei. ›Werde nur nicht wie deine Eltern‹, warnten sie jeden Tag. Unterlief mir irgendein kindliches Mißgeschick oder fraß ich einmal irgend etwas aus, gleich bekam ich mit sanfter Stimme zu hören: ›Du benimmst dich ganz so, wie sich dein Vater zu benehmen pflegte. Aber du wolltest doch nicht wie dein Vater werden, nicht wahr?‹ War mein Haar einmal ein bißchen vom Wind zerzaust, oder hatte ich ein paar Flecke am Kittel, dann hieß es: ›Wenn die Leute vergessen sollen, was für eine gewöhnliche Person deine Mutter war, dann wirst du dafür Sorge tragen müssen, daß du selber nicht gewöhnlich aussiehst.‹ Und die Schlußbemerkung solcher sich ständig wiederholender Erklärungen war dann immer die resignierte Feststellung: ›Was haben wir nicht alles für dich getan! Das ist nun der Dank!‹« John lachte rauh: »Als ich vierzehn war, rückte ich aus. Leider griff man mich schon am nächsten Tag auf und brachte mich zurück. Du kannst dir vorstellen, wie entsetzt und empört sie waren. Was für ein verdorbener Bursche mußte ich sein, daß ich ein so glückliches Zuhause hatte und, statt es dankbar zu schätzen, davonlief. Sie schickten mich dann zusammen mit meinem Vetter auf die Universität des Staates Virginia. Aber ich war nun soweit, daß ich ihre biedere Selbstgerechtigkeit nicht mehr ertrug. Ich faßte den Entschluß, den Leuten jeden Cent, den sie für mich ausgelegt hatten, mit Zinsen zurückzuzahlen. Und ich beschloß weiter, noch reicher als sie zu werden. Ich wollte in meinem ferneren Leben nie mehr von einem anderen Menschen abhängig sein. – Ich verließ die Universität und ging mit sechs Dollar in der Tasche nach Boston. Ich wußte, Boston war eine rührige und betriebsame Stadt; hier mußte es einem jungen Mann möglich sein, seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Ich hatte Latein, Philosophie und Griechisch studiert, aber ich hatte nie gelernt, irgendeine Handarbeit zu verrichten. Also mußte ich versuchen, als ungelernter Arbeiter mein Brot zu verdienen. Ich lungerte auf den Kais herum, half Schiffe zu entladen und trug Koffer und Gepäckstücke. Ich arbeitete zwölf bis vierzehn Stunden am Tag und wohnte in einer Kammer, in einem billigen Mietshaus. Aber ich hatte zum erstenmal in meinem Leben das Gefühl, frei und unabhängig zu sein. – Freunde hatte ich nicht, und ich suchte auch keine. Ich kam mit meinen Arbeitskollegen gut aus, aber

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