Kalifornische Sinfonie
ich jemand, der mich mitnahm. Penrose war wahrhaftig nicht der einzige, der mich damals haben wollte; aber ich habe ihn genommen, weil er mir dumm genug schien, um keine unnützen Schwierigkeiten zu machen. Ich wußte auch immer, daß er roh und gefühllos ist. Seine Erfolge als Händler verdankt er wahrscheinlich zum großen Teil seiner Gefühllosigkeit. Er benahm sich mir gegenüber, wie ich es erwartet und vorausgesetzt hatte. Warum also soll ich ihm heute noch böse sein? Er soll mich jetzt nur ungeschoren lassen. Er ist für mich nicht mehr als irgendein lästiger Kerl.«
Garnet hatte so wieder einmal Gelegenheit, Florindas kühlen Gleichmut zu bewundern. Florinda war eben durch eine sehr harte Lebensschule gegangen, und die hatte sie gelehrt, nie zu viel von den Menschen zu erwarten. Garnet beneidete sie fast um diese Erfahrung, weil sie selbst sie nicht hatte.
So gelang es ihr beispielsweise nicht, Frau Charles Hale gegenüber Gleichmut und Kühle aufzubringen. Sie war ihr zuwider, aber sie hatte gleichzeitig ihr gegenüber das Gefühl einer Schuld. Zwar war nicht gut anzunehmen, daß eine Frau einen Mann wie Charles aus Liebe geheiratet haben sollte; zwar wußte sie, daß Mrs. Hale durch Charles Tod zu einer außerordentlich reichen Frau geworden war, aber alles das änderte nichts an der Tatsache, daß sie, Garnet, die Schüsse abgefeuert hatte, die Charles’ Leben ein Ziel setzten. Lydia Hale wußte das nicht, aber es blieb ja nichtsdestoweniger wahr. Garnet war deshalb froh, als sie hörte, daß Mrs. Hale sich anschicke, mit der nun zur Hälfte ihr selbst gehörenden Brigg, nach Boston zu segeln. Sie hatte die Hale-Ranch einem Amerikaner übergeben, der sie bis zu ihrer Rückkehr für sie verwalten sollte. Sie wollte in Boston nämlich nur ihre Vermögensangelegenheiten regeln und dann für immer nach Kalifornien zurückkehren. Garnet fand das außerordentlich beruhigend. Wenn Mrs. Hale nach Kalifornien zurückkam, würde sie selbst längst mit John verheiratet sein. Das Hale-Vermögen interessierte sie dann nicht mehr. Und es schien ihr auch ein gerechter Ausgleich, es der Frau zu belassen, der sie den Mann erschossen hatte. Ihr Gewissen war nicht ganz sauber bei diesem Handel, aber es war dies immerhin die einzige ihr gegebene Möglichkeit. Einige Tage lang fragte sie sich, was wohl aus Captain Brown geworden sein mochte. Die anderen Offiziere waren wie früher jeden Tag in der Bar, aber Brown sah sie nie. Florinda erwähnte seinen Namen nicht. Garnet war überzeugt, sie würde das auch zukünftig ohne ausdrückliche Frage nicht tun. Eines Abends stellte Garnet diese Frage. »Er ist in der Stadt«, antwortete Florinda. »Er wird auch wahrscheinlich hierbleiben müssen, bis das New Yorker Regiment abgemustert wird. Aber du wirst ihn nicht zu sehen bekommen, solange er es irgend verhindern kann. Ich mußte ihm sagen, wann du wiederkämest. Er bat mich ausdrücklich darum, und ich habe ihm die Bitte erfüllt.«
»Vermutlich haßt er jeden Zoll meines Körpers«, sagte Garnet leise.
»Nein«, entgegnete Florinda ruhig, »das tut er sicher nicht. Ich habe mehrmals sehr lange und sehr eingehend mit ihm gesprochen. Ich habe ihm erzählt, wie die Dinge zusammenhingen.«
»Was hast du ihm erzählt?«
»Ich habe ihm gesagt, du seiest entschlossen gewesen, ihn zu heiraten. ›Aber‹, sagte ich weiter, ›sie liebt Sie nicht mehr als etwa General Kearny. Zweifellos wäre sie Ihnen eine gute und treue Frau geworden, aber ebenso sicher wäre sie Ihnen in jeder Nacht Ihres Lebens untreu gewesen, in Gedanken nämlich.‹«
»Das hast du ihm gesagt?«
»Das habe ich ihm gesagt, meine Liebe. Weil es schließlich die Wahrheit ist. Ich kann, wie du weißt, ausgezeichnet lügen, und es macht mir weiter nichts aus, aber es gibt Situationen, wo man die Wahrheit sagen muß. Ich glaube, es hat ihn ein bißchen hart getroffen, aber er hat es jedenfalls verstanden. Und ich denke, er wird schon darüber hinwegkommen. Ich soll dir ausrichten, er hoffe, dich nicht wiederzusehen; er sei der Meinung, das sei für beide Teile am besten.« Garnet faßte Florinda beim Kopf und küßte sie auf die Stirn. »Ich habe also in deinem Sinne gehandelt?« sagte Florinda.
»Du hast es besser gemacht, als es irgend jemand hätte machen können. Ich danke dir sehr.«
Garnet war etwa eine Woche wieder in Los Angeles, da erhielt sie von Mr. Abbott einen Brief. In dem Brief stand, der verstorbene Texas habe mehrfach geäußert, für den
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