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Kalifornische Sinfonie

Kalifornische Sinfonie

Titel: Kalifornische Sinfonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Bristow
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hinfort immer nur noch an den nächsten Tag denken wolle.«
    »Das hoffe ich«, sagte John, »es ist wahrhaftig das Beste, was wir beide tun können.«
    Garnet hob den Kopf und sah ihm ins Gesicht. Sie sah die gebräunte Haut, die grün schimmernden Augen, die scharfen Linien um den Mund. »John«, flüsterte sie, »warum hattest du solche Angst vor der Liebe?« Er sah sie verwirrt an. »Warum hast du dich immer so von allen anderen Menschen ferngehalten?« fuhr sie fort. »Hat dich denn nie jemand liebgehabt?« Er schüttelte den Kopf.
    »Ich meine nicht in der Art, wie ich dich liebe«, sagte sie. »Aber es muß doch Menschen gegeben haben, die dir nahestanden, die sich um dich kümmerten, für dich sorgten.«
    »Aber nein«, sagte John. »Ich fürchte, das könnte sich so anhören, als wollte ich Mitleid erwecken; aber das will ich gewiß nicht.«
    Garnet, die noch immer neben dem Bett kniete, setzte sich auf den Fußboden und sah ihn mit schmerzlicher Verblüffung an. »Aber du hast doch Vater und Mutter gehabt«, sagte sie, »sie müssen dich doch liebgehabt haben.«
    »Vermutlich«, versetzte er trocken. »Aber wie soll ich das wissen? Sie starben, als ich gerade ein Jahr alt war.«
    »Und was geschah dann mit dir?«
    »Ich habe es dir, glaube ich, schon einmal gesagt: Ich wurde ein Objekt der Wohltätigkeit.«
    Garnet sah ihn lange an. Sie sah die Härte in seinen Augen und die harten Züge um seinen Mund; er schien sich an nicht sehr angenehme Dinge zu erinnern. »John«, flüsterte sie, »was taten sie dir? Schlugen sie dich?«
    »O nein.« John lächelte böse. »Sie kleideten mich wie einen Prinzen und hielten mir einen Hauslehrer, der mir Latein beibrachte. Und jedermann hämmerte mir immer wieder ein, was sie alles an mir täten und wie sehr ich ihnen zu Dank verpflichtet wäre. Dank!«
    Das Wort hörte sich, wie er es jetzt aussprach, an wie ein Fluch. Aber dann schien ihn seine Heftigkeit zu reuen; er fügte hinzu:
    »Vermutlich beurteile ich sie ungerecht und jedenfalls viel zu hart. Sie hatten sehr wahrscheinlich nie die Absicht, mir etwas zuleide zu tun oder mich zu quälen. Aber ich konnte ihnen jedenfalls nie etwas recht machen. Du mußt wissen: Ich war die Familienschande eines alten und vornehmen Hauses. Die Ives waren seit der Revolutionszeit in Virginia ansässig. Sie waren sehr reich und unwahrscheinlich stolz. Und mein Onkel Augustus war ein besonders typischer Vertreter dieser ehrenwerten Familie. Er besaß eine riesige Plantage und war eine Säule der Gesellschaft. Und selbstverständlich holte er sich auch seine Frau aus dieser Gesellschaft. Tante Edith war ohne Zweifel die vollkommenste Frau, die dieser Mann hätte finden können. Sie tat nie etwas, was man hätte im geringsten als unkorrekt bezeichnen können. Kennst du Frauen dieser Art, Garnet?«
    Garnet wurde unwillkürlich an Mrs. Trellen erinnert, die Mutter des jungen Herrn, den sie einmal hatte heiraten sollen und der ihr immer so entsetzlich langweilig und wichtigtuerisch vorgekommen war. Die Bezeichnung, die sie seinerzeit für Mrs. Trellen gefunden hatte, fiel ihr ein. »Findest du, sie sah aus wie ein marmorner Grabengel?« fragte sie.
    »Genau«, sagte John grinsend.
    »Erzähl mir mehr von den Leuten«, bat Garnet.
    »Nun«, sagte John, »Tante Edith und Onkel Augustus führten ein geruhsames Leben nach ihrem Sinne. Aber da war ein Fleck auf dem blanken Schild ihrer Familienehre. Und dieser Fleck war Augustus’ Bruder Richard, mein Vater. Mein Vater war völlig aus der Art geschlagen. Er pflegte schon als junger Mann zu trinken, zu spielen und sein Geld mit entgegenkommenden Damen zu verschwenden.«
    »John!« unterbrach ihn Garnet; aus ihrer Stimme klang Entsetzen.
    »Was?«
    »John, du willst doch nicht sagen, sie hätten dir das alles über deinen Vater erzählt?«
    »Selbstverständlich taten sie das. Wie hätte ich es denn sonst erfahren sollen?«
    »Aber wie konnten sie nur! Du warst doch ein Kind. Und sie konnten dich doch nicht entgelten lassen, was dein Vater tat.«
    »So, meinst du?« sagte er. »Nun, sie dachten wohl anders.«
    Garnet schauderte es unwillkürlich bei dem Gedanken, was sie mit ihm angestellt hatten. John fuhr fort: »Es kam jedenfalls schließlich so, daß mein Vater ein Mädchen heiratete, das als Putzmacherin in einem Hutgeschäft arbeitete. Die Familie hat dieses Mädchen nie zu Gesicht bekommen, sie hat auch niemals danach verlangt. Aber es war natürlich klar für sie, daß es sich um eine

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