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Kalifornische Sinfonie

Kalifornische Sinfonie

Titel: Kalifornische Sinfonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Bristow
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Fall, daß ihm einmal etwas zustoße, solle sein kleines Vermögen Mrs. Hale und ihrem Kinde gehören. Er habe zwar kein schriftliches Testament hinterlassen, da aber andererseits keine natürlichen Erben vorhanden seien, halte er, Mr. Abbott, es für richtig, den mündlich geäußerten Wunsch des Verstorbenen zu erfüllen. Nach Abzug aller noch offenen Rechnungsbeträge und Tilgung aller hinterlassenen Schuldverpflichtungen verblieben auf dem Konto noch rund tausend Dollar in Häuten und anderen Waren. Der Brief forderte Garnet auf, gelegentlich im Abbottschen Laden vorbeizukommen, damit die Übertragung des Guthabens auf ihr eigenes Depositenkonto vorgenommen werden könne.
    Garnet kam sich sehr reich vor. In einer Stadt, wo der Lebensunterhalt fast nichts kostete, waren tausend Dollar ein Vermögen. Sie veranlaßte Mr. Abbott zunächst, der Señora Vargas, Texas’ Wirtin, die immer treu für ihn gesorgt habe, einen Betrag von hundert Dollar auszuzahlen. Señora Vargas, die in ihrem ganzen Leben noch nie eine so große Geldsumme in der Hand gehabt hatte, kaufte sich einen roten Schal und ein Paar rote Schuhe und veranstaltete vor Freude eine Party, auf der sie sich, gleichfalls zum erstenmal in ihrem Leben, selber betrank.
    »Ich will mein Versprechen wahrmachen und auch Estelle für den etwa durch Texas’ Tod in ihrem Hause entstandenen Verlust entschädigen«, äußerte Garnet zu Florinda. Tatsächlich war Estelles Etablissement des Mordfalles wegen ein paar Tage lang geschlossen gewesen. »Was meinst du: Was soll ich ihr geben?« fragte sie.
    Florinda dachte einen Augenblick nach: »Würden dir zweihundert zuviel sein?«
    »Aber nein. Sie soll sie haben. Aber wie mache ich das? Mr. Abbott würde sicher entsetzt sein, wenn ich ihn aufforderte, das Geld von meinem auf Estelles Konto zu überschreiben.«
    »Vermutlich«, sagte Florinda trocken. »Seine Weltvorstellung würde durcheinandergeraten. Weißt du, was? Laß das Geld meinem Konto überschreiben, und ich transferiere es dann an Silky. Da Silky und ich Geschäftspartner sind, wird sich Mr. Abbott dabei weiter nichts denken. Ich werde Silky sagen, daß du mir das Geld gegeben hast. Natürlich werde ich nicht verraten, daß du von seiner Teilhaberschaft an Estelles Haus weißt. Aber ich werde dabeistehen, wenn er die zweihundert Dollar an Estelle überschreibt.« Garnet stimmte zu. Silky erwähnte die Angelegenheit ihr gegenüber nie, aber sie merkte, daß er sie mit ganz besonderer Ehrerbietung behandelte. Das ging so weit, daß er einige Male im Vorbeigehen sogar Stephen das Köpfchen tätschelte. Leute, die Geld bezahlten, ohne dazu die geringste Veranlassung zu haben, befanden sich zwar außerhalb seines Begriffsvermögens, aber obgleich er ihr Handeln nicht begriff, nötigten sie ihm doch heimlichen Respekt ab.
    Garnet hatte inbrünstig auf einen ruhigen Winter gehofft, in dem sie sich etwas erholen könnte. Sie fühlte sich geistig und seelisch ausgelaugt und sehnte sich nach Ruhe. Sie würde mit John auf Torosa wohnen; ringsum würden die Halme des wilden Hafers auf den Hügeln im Winde wogen, und die bunten Mohnfelder würden meilenweite Flächen bedecken. Im Geist sah sie schon die steilen Berge mit ihren ragenden schneebedeckten Gipfeln vor dem klaren Hintergrund des blauen Himmels. Da war überall Weite und Einsamkeit. Oh, sie hatte es nach diesen bewegten Jahren so nötig, in Frieden und Einsamkeit auszuruhen. Bei John würde sie geborgen sein. Nun, falls es ihr wirklich beschieden sein sollte, in Torosa Frieden zu finden, in Los Angeles war es ihr jedenfalls nicht beschieden.
    Bald nach ihrer Rückkehr aus Santa Barbara ereignete sich ein Unglücksfall in der Stadt, bei dem mehrere Menschen ums Leben kamen. Im Wachhaus der Kommandantur gab es eine Explosion, in deren Folge eine regelrechte Panik unter der Bevölkerung ausbrach. Dann kamen die üblichen Dezemberstürme, kam das Weihnachtsfest, das einen so lebhaften Betrieb im Lokal brachte, daß Garnet und Florinda vor Erschöpfung fast umfielen. Nach ein paar kurzen Ruhetagen kamen Silvester und Neujahr mit noch erhöhtem Betrieb, und dann gab es ein Erdbeben. Es war an einem Tage im Januar. Garnet, Florinda und José bedienten an der Bar. Das Lokal war voller Männer. Florinda beherrschte seit langem die Kunst, mit vieren und fünfen zu gleicher Zeit zu sprechen. Tick-Tack zeigte ihr wieder einmal seine große, laut tickende Uhr und erzählte zum hundertsten Male ihre Geschichte. »Solange ich

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