Kalifornische Sinfonie
jemals so aufgeregt gesehen zu haben. »Es scheint sich um gute Neuigkeiten zu handeln, – so, wie du aussiehst«, sagte sie.
»Um sehr gute sogar! Ungeheure! Welterschütternde! Sei still, du wirst alles hören. Laß mir ein paar Minuten Zeit, um Atem zu schöpfen.« Er goß sich einen neuen Drink ein und fragte: »Warum hat Florinda mich einen dreckigen Strolch genannt und gesagt, ich verdiente den Whisky nicht?«
»Weil du ein Strolch bist!« lachte Garnet, »und dreckig genug bist du ja wahrhaftig auch. O John, warum hast du so lange auf dich warten lassen? Was hat dich davon abgehalten, früher zu kommen?«
Johns grüne Augen funkelten vor heimlicher Bosheit. »Ich konnte unmöglich früher kommen«, sagte er. »Und glaube mir, kein Mensch außer dir hätte es fertiggebracht, mich auch jetzt hierher zu bringen.«
»Warum hast du dann nicht wenigstens geschrieben?«
»Dort, wo ich war, bestand dazu keine Möglichkeit. Und das hängt mit der großen Neuigkeit zusammen, von der ich sprach. Ich werde mehr als eine Minute dazu brauchen, dir alles zu erzählen. Deshalb laß mich noch ein bißchen ausruhen und erst einmal einen Happen essen. Ich habe seit der frühen Morgendämmerung ununterbrochen im Sattel gesessen. Du wirst verstehen und wirst mir auch verzeihen, wenn du alles weißt.«
Florinda rief vom Herd herüber: »Garnet könnten Sie erzählen, Sie hätten sechs Digger umgebracht und zum Nachtmahl verspeist, sie würde es verstehen. Und sie würde Ihnen alles verzeihen. Aber das ändert nichts daran, daß wir hier alle beinahe verrückt geworden sind, weil sie nichts von Ihnen hörte. Übrigens können Sie jetzt essen.«
Sie stellte eine Schüssel Bohnen vor ihn hin. Nikolai rief die Boys, die inzwischen die Pferde versorgt hatten, herein. Sie kamen, setzten sich auf den Fußboden und begannen zu schlingen, während der Russe hinausging, um zu sehen, ob die Tiere gut untergebracht wären. John war so hungrig, daß er das Essen gleichfalls hinunterschlang. Als sie endlich gesättigt waren, begaben Pablo und Vicente sich auf die Veranda und rollten sich in ihre Decken. Garnet sagte Micky, er könne nun auch schlafen gehen. John entschuldigte sich, weil er sich vor lauter Gier nicht einmal die Hände vor dem Essen gewaschen habe; er sagte, er würde das jetzt gerne nachholen. Während er sich draußen wusch, spülten Garnet und Florinda das Geschirr ab. Florinda sagte: »Es ist ein Spaß, euch beide anzusehen. John ist wirklich ganz wild auf dich.« Garnet lachte. Ja, John war wild nach ihr; sie sah es selbst, und es machte sie glücklich. Aber sie freute sich auch, daß Florinda ihn mochte. Sie hätte anderenfalls niemals ›dreckiger Strolch‹ zu ihm gesagt. Leute, die ihr gleichgültig waren, pflegte sie stets in höflichster Form zu behandeln. Garnet erinnerte sich daran, daß sie Männer wie Bartlett und Penrose, mit denen sie ein Verhältnis unterhielt, stets als ›Mister‹ angesprochen hatte.
John und Nikolai kamen zusammen wieder herein, und Florinda stellte Kaffee, Wein und Whisky auf den Tisch. »Wie ist das, John«, sagte Florinda, »sind die Neuigkeiten, von denen Sie vorhin sprachen, nur für Garnet bestimmt? Dann sagen Sie es ruhig, Nick und ich verziehen uns dann.«
»Im Gegenteil«, antwortete John, »was ich zu erzählen habe, geht euch alle an. Setzt euch her, ich möchte euch etwas zeigen.«
Während sie sich um den Tisch setzten, langte John in die Tasche und holte ein großes Taschentuch heraus, in das etwas eingewickelt war. Er knotete das Taschentuch auf und brachte einen kleinen mit einem Riemen zugebundenen Lederbeutel zum Vorschein, einen Beutel der Art, wie die Männer ihn zum Aufbewahren von Tabak benützten. »Mach es bloß nicht so spannend!« sagte Florinda burschikos.
John grinste und reichte Garnet den Beutel. »Fühl mal«, sagte er.
Sie nahm ihn auf und zuckte unwillkürlich mit der Hand. »Oh«, sagte sie, »er ist schwer.« John äußerte sich nicht; er sah grinsend, wie sie an dem Beutel herumdrückte. Die darin befindliche Masse quoll zwischen ihren Fingern durch. Sand? dachte sie. Aber Sand konnte unmöglich so schwer sein. Sie sah John fragend an.
John schien es Spaß zu machen, den Vorgang zu dramatisieren. Das war etwas, das ihm gar nicht ähnlich sah. Er stand jetzt auf, und es sah aus, als beabsichtige er, eine Rede zu halten. Und das sah gleichfalls nicht nach John Ives aus. In seinen Augen brannten kleine Lichter, sein Gesicht war unter den Stoppeln
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