Kalix - Die Werwölfin von London
noch verwirrend. Nachdem der Klempner gegangen war, um mit seinen Leuten die Rohre im Keller in Ordnung zu bringen, brachte sie ihre Verwunderung noch einmal zum Ausdruck.
»Ich könnte eine so lange Diskussion über ein so ermüdendes Thema nicht ertragen. Können deine Sklaven dir solche Aufgaben nicht abnehmen?«
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»Sie heißen Angestellte«, antwortete Thrix. »Aber irgendwann muss sich auch die Chefin mal die Hände schmutzig machen. Was glaubst du, wie ich meine Kollektionen zusammenstelle? Durch Zauberei?«
»Ja«, antwortete die Feuerkönigin. »Etwa nicht?« »Ich fürchte nein.«
»Oh.« Malveria wirkte nachdenklich. »Aber diese wunderbaren Schuhe. Die bekommst du sicher durch Zauberei, oder?«
Thrix schüttelte den Kopf.
»Nein. Sie werden von Menschen gemacht.«
»Wirklich? Ganz ohne Zauberei? Menschen sind offenbar schlauer, als ich dachte. Diese Schuhe sind nämlich bildschön.«
Thrix nahm Königin Malveria mit nach unten in ihren Showroom, um ein paar neue Kleider für sie zu suchen, weil sie eine so wichtige Kundin wirklich nicht verlieren wollte. Die Zeit reichte zwar nicht, um extra etwas für sie anzufertigen, aber bestimmt konnte Thrix aus dem Stand heraus ein beeindruckendes Outfit für die Feuerkönigin zusammenstellen. Während Thrix ein paar junge Models für eine improvisierte Modenschau vorbereitete, war die Feuerkönigin ganz in Gedanken. Normalerweise nahmen Kleider ihre volle Aufmerksamkeit in Anspruch, aber ihr war eine amüsante Idee gekommen.
»Thrix, mir geht etwas nicht aus dem Kopf, was ich in einer deiner Zeitschriften gelesen habe. Ich glaube, in der Vogue, die mich so glücklich macht, seit du mir ein - wie hieß es gleich -Abonnement besorgt hast. In dem Artikel ging es um einen Designer, der immer hart gearbeitet hat. Dabei wurde ein Ausdruck gebraucht, den ich vorher noch nie gesehen hatte. Arbeitsmoral hieß das wohl.«
»Und?«
»Und ich glaube, daran leidest du.«
Diesen Gedanken fand die Feuerkönigin recht unterhaltsam. »Denn im Grunde könntest du, meine wunderbare Zauberin,
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deine magischen Kräfte einsetzen, um viele dieser Dinge schneller zu erledigen.
Ich bin sicher, du hättest die Probleme mit den Rohren mit einer einzigen Handbewegung lösen können.« Die Zauberin sah skeptisch aus.
»Aber du setzt deine Magie viel weniger ein, als du es könntest. Weil du arbeiten musst? Leidest du wirklich an dieser Sache, dieser Arbeitsmoral?«
»An ein bisschen harter Arbeit ist nichts auszusetzen«, sagte Thrix und warf ihr blondes Haar zurück.
Die Feuerkönigin lachte. Wenn sie wollte, konnte sie durchaus scharfsinnig sein. Amüsiert stellte sie sich vor, wie Thrix' Mutter der jungen Werwölfin erklärte, dass eine echte Tochter des Fürsten hart arbeiten und sich nicht auf Zauberei verlassen sollte, um ihre Probleme zu lösen.
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Die Herrin der Werwölfe und der Fürst waren schon sehr lange verheiratet, und Verasa hatte die Phase, in der sie jeden Tag in der Gegenwart ihres Mannes verbringen wollte, längst überwunden. Sie fuhr regelmäßig in den Süden, auch wenn es in den drei Nächten des Monats, in denen sie sich in eine Werwölfin verwandeln musste, in London nicht einfach war. Eine so reinblütige MacRinnalch-Werwölfin wie Verasa konnte sich in jeder Nacht verwandeln, aber bei Vollmond und in der Nacht davor und danach hatte sie keine Wahl. Die Verwandlung geschah automatisch.
Natürlich verlor Verasa nie völlig die Kontrolle über sich. Das hätte sich nicht geziemt. Aber wenn die Wölfin in ihr hochkam, konnte es selbst einer so starken und disziplinierten Frau wie ihr extrem verlockend erscheinen, auf die nächtlichen Straßen zu laufen und dem Drang nachzugeben, Beute zu erlegen.
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Manche Werwölfe taten das sogar. Der Clan warnte davor, sich in der Nähe von bewohnten Gebieten zu verwandeln. Heutzutage war es nicht angeraten, herumzulaufen und mehr Menschen umzubringen als absolut notwendig. Mit den modernen Kommunikationsmitteln und den allgegenwärtigen Medien würde jeder rätselhafte Todesfall bald von der Polizei untersucht werden. Und schlimmer noch, er würde die Aufmerksamkeit der Avenaris-Gilde erregen, der verhassten Jäger, die es sich zur Lebensaufgabe gemacht hatten, Werwölfe zu töten. Der MacRinnalch-Clan fürchtete mit seinem Reichtum und seiner Macht weder die Polizei noch die Gilde, aber man musste ja nicht unnötig auffallen.
Man muss sich an die moderne Welt anpassen, wie Verasa so oft sagte. Sie selbst
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