Kalix - Die Werwölfin von London
Sorgen. Sie dachte, Dominil sei auf keinen Fall in der Lage, nach Hause zu gehen.
»Lass sie«, sagte Daniel unter vier Augen zu seiner Freundin. »Sie ist eine Werwölfin. Die erholen sich schnell. Außerdem macht Dominil mich nervös.«
Moonglow wusste, was er meinte. Dominil hatte etwas Verstörendes an sich. Sie lächelte nie. Der Blick ihrer dunklen Augen bohrte sich regelrecht in ihr Gegenüber, ohne je sanft zu werden. Falls ihre Verletzungen schmerzten, gab sie es nicht zu. Sie verbrachte die Nacht in Werwolfgestalt auf dem Sofa, damit sie wieder zu Kräften kam, dann humpelte sie zu Daniels Auto, um sich nach Camden fahren zu lassen. Bevor sie ging, richtete sie ein paar förmliche Worte an Kalix.
»Danke für deine Hilfe, Cousine. Ich weiß sie zu schätzen.«
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Damit ging sie.
»Danke für deine Hilfe?«, sagte Moonglow. »Mehr konnte sie nicht sagen?«
»Sehr gesprächig war sie nie«, erklärte Kalix.
Nachdem ihr alle zu Dominus Rettung gratuliert hatten, hatte Kalix erfreut gewirkt, aber auch verlegen, weil sie nicht wusste, wie sie reagieren sollte. Sie war noch nie die Heldin gewesen. Es war ein gutes Gefühl, machte sie aber auch befangen, deshalb zog sie sich in ihr Zimmer zurück, um in ihr Tagebuch zu schreiben.
Dominil hatte einen Teil ihrer Zeit in dem Apartment verbracht, das Verasa ihr bereitgestellt hatte. Sie beschloss, es sei besser, bei den Zwillingen einzuziehen, um sie beschützen zu können, obwohl sie es nicht gerne tat. Dominil fand es anstrengend, lange mit ihnen zusammen zu sein. Egal, was sie tat, die beiden benahmen sich einfach nicht wie zivilisierte Werwölfe.
Im Haus in Camden herrschte nach dem Überfall immer noch Chaos. Beauty und Delicious hatten halbherzige Versuche gestartet aufzuräumen, aber bald deprimiert aufgegeben. Als Dominil zurückkehrte, schüttelten die Schwestern ihren Trübsinn ab und begrüßten sie begeistert.
»Wir dachten, Sarapen würde dich umbringen.«
»Es geht mir gut«, sagte Dominil. »Haben die Douglas-MacPhees euch verletzt?«
»Nein, aber sie haben ganz viel kaputt gemacht.«
»Das sehe ich schon.«
»Kannst du nochmal die Reinigungsleute kommen lassen?«
Dominil willigte ein. Sie war erleichtert, dass die Zwillinge offenbar unverletzt waren. Sie waren in besserer Verfassung, als Dominil nach allem, was passiert war, erwartet hatte. Beauty hob ihre Gitarre auf und warf sich auf einem Sessel stehend in Pose.
»Wir sind wieder da. Yum Yum Sugary Snacks erstehen auf wie -« Sie stockte.
»Wie was ersteht man auf?«
»Meist wie Phönix aus der Asche«, antwortete Dominil.
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»Klasse. Wie Phönix aus der Asche. Wir haben einen neuen Song geschrieben.
Willst du ihn hören?«
Dominil seufzte. Musiker schrieben ständig neue Songs, und sie schienen ständig zu glauben, man würde sie hören wollen.
141
Markus stand wegen Talixias Tod immer noch unter Schock. Er war zu erschüttert, um die Ereignisse der letzten Woche begreifen zu können. Den ganzen Tag lang saß er in seinem silberfarbenen Morgenmantel in einem Sessel am Fenster und blickte hinaus in den Garten, in dem einige der wenigen Vögel, die den Winter in London verbrachten, in den Bäumen herumflatterten. Diese Wohnung lag unweit von Crystal Palace, einem recht grünen Teil Londons.
Manchmal verirrten sich Grauhörnchen aus dem Park in den Garten. Markus sah ihnen zu, wie sie an den Bäumen hochkletterten und ständig in Bewegung waren. Nachts kamen Füchse aus ihren Verstecken, dann konnte Markus sie unten im Garten hören und ihrem schrillen Bellen lauschen, wenn er im Bett lag und nicht schlafen konnte.
»Wie geht es ihm?«, fragte Verasa bei einem Anruf von Gregor MacRinnalch, der sich um ihn kümmern sollte.
»Etwas besser«, sagte Gregor.
»Lüg mich nicht an«, entgegnete Verasa schroff.
Gregor runzelte die Stirn. Die Herrin der Werwölfe ließ sich nichts vormachen, nicht einmal, wenn sie Hunderte von Kilometern entfernt war. Er gab zu, dass es Markus nicht besser ging. Er stand immer noch unter Schock und konnte nichts tun, außer in den Garten zu starren.
Verasa war verärgert. Sie verstand ja, dass Markus einen schwe 310
ren Schlag erlitten hatte, aber das war kein Verhalten für einen Anwärter auf den Thron des Fürsten. Falls die Werwölfe vor der Burg erfuhren, dass Markus MacRinnalch sich zurzeit an einem sicheren Ort versteckte und Grauhörnchen beobachtete, würde das wenig Eindruck machen. Der Große Rat würde keinen Fürsten wählen,
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