Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kalogridis, Jeanne - Die Seherin von Avignon

Kalogridis, Jeanne - Die Seherin von Avignon

Titel: Kalogridis, Jeanne - Die Seherin von Avignon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
Vom Netzwerk:
Anklage erwidern?«
    Ich schaute sofort wieder zu Boden. »Euer Heiligkeit, es war weder Hexerei noch etwas, das in meiner Macht stand. Gott hat Jacques geheilt, nicht ich.«
    »Ihr habt das Recht, Eure Anklägerin zu hören«, erklärte er dann und rief mit lauter, strenger Stimme: »Schwester!« Gleichzeitig schob er den Riegel an der Tür zurück, um eine Schwester einzulassen, die den Kopf so tief gesenkt hatte, dass ihr Gesicht vollständig von Haube und Schleier verdeckt war, doch ich hatte keinen Zweifel, um wen es sich handelte.
    »Euer Heiligkeit«, grüßte sie mit unsicher schwankender Stimme, es klang erbärmlich. Sie kniete nieder, küsste den Ring des Bischofs und ließ sich aufhelfen, wobei sie beinahe aus dem Gleichgewicht geraten wäre.
    „Schwester Habondia, berichtet uns, was Ihr an dem Morgen gesehen habt, als der Leprakranke Jacques geheilt wurde.«
    Vor rechtschaffenem Eifer belebten sich Habondias Gesichtszüge, und die vom Ärger gezeichneten Furchen verschwanden, sodass man eine Ahnung davon bekam, wie hübsch sie in ihrer Jugend einmal gewesen war. Leidenschaftlich und voller Überzeugung sagte sie: »Euer Heiligkeit, ich kümmerte mich um einen Leprakranken, als ich am anderen Ende des Raums ein schreckliches Geschrei vernahm, die Stimme von Schwester Marie Francoise.«
    Ruhig fragte der Bischof: »Und wie lauteten ihre Worte?«
    »Sie stieß Flüche aus, Euer Heiligkeit, Flüche gegen Gott und Jesus ... Sie flehte den Teufel an.« Vor Verwunderung entfuhr mir ein Stöhnen, das jedoch nicht weiter beachtet wurde.
    »Ich weiß, es fällt Euch schwer, Schwester Habondia, aber ... wie lauteten die Worte genau? Wir müssen es wissen, wenn es zu einem Prozess kommen soll.«
    »Oh, Euer Heiligkeit!», rief sie, als erschreckte sie allein bei dem Gedanken daran. Bestürzt legte sie eine Hand auf ihren Busen, doch sie gehorchte und murmelte mit gerötetem Gesicht: »Ich glaube, sie sagte >Verdammt sei Gott< und >Verdammt sei Jesus<« - an dieser Stelle bekreuzigte sie sich -»und dann >Teufel, gib mir die Kraft ...< Oder nein, es war >Luzifer, gib mir die Kraft<.«
    Sie bekreuzigte sich abermals und beugte sich wieder vor, damit ihr Gesicht nicht mehr zu sehen war. »Und dann ...?«, wollte der Bischof wissen. »Oh. Dann umfasste sie die Füße des Kranken, und ihre Hände«, fügte Habondia, schneller werdend, hinzu, »waren von einem merkwürdigen gelben Schein umgeben, beide. Er hielt eine Weile an.«
    »Aber das sind Lügen, nichts als Lügen!«, beschwor ich den Bischof.
    »Hütet Eure Zunge - Ihr habt mich mit der gebührenden Ehrerbietung anzusprechen!« Der Bischof drehte sich mit einem Ruck zu mir um, wobei er verärgert die Stirn runzelte. »Jetzt wollt Ihr also behaupten, Ihr hättet den Leprakranken nicht geheilt, obwohl Ihr es bereits zugegeben habt?«
    »Nein - Euer Heiligkeit. Ich will sagen, dass ich niemals Gott verflucht und ganz gewiss nicht den Teufel angebetet habe ...«
    Zu meiner Verwunderung unterbrach Mutter Geraldine mich, und ihre Worte stürzten mich in tiefe Verzweiflung: »Mon Seigneur, sie ist nicht einmal Nonne oder Christin, das wenigstens hat sie mir gestanden. Sie ist ein Bauernmädchen, das aus Toulouse geflohen ist, weil ihre Großmutter dort der Hexerei beschuldigt und hingerichtet wurde.« Sie zeigte mit ausgestrecktem Arm auf mich, eine ungebrochene Linie der Anklage von der Schulter bis in die Fingerspitze. »Fragt sie, Euer Heiligkeit, was sie um den Hals trägt!«
    Ich konnte Mutter Geraldine nur entsetzt anstarren, während der Bischof verlangte: »Nun, dann lasst es uns sehen.«
    Was hätte Widerstand mir gebracht? Ich hatte einige Mühe, meine Hand in das eng anliegende Oberteil meines Habits zu stecken, wo ich die körperwarme Metallscheibe zu fassen bekam. Ich zog sie nach oben aus meinem Kragen hervor, und zum ersten Mal, seitdem ich Toulouse verlassen hatte, zeigte ich den Talisman einem anderen. Da lag er nun hell und belastend auf meiner Brust. Feierliches Schweigen trat ein.
    »Das ist Magie«, stellte der Bischof fest, »schwärzeste Magie. Schwester Habondia, Ihr müsst mich in die Stadt begleiten, Mutter Geraldine, bringt Schwester Marie Francoise in ihre Zelle und sorgt dafür, dass sie über Nacht dort bleibt. Ich werde morgen mit der offiziellen Anklageschrift zurückkehren und die Hexe persönlich in ihr Gefängnis geleiten.«
    Wie befohlen, führte mich die Äbtissin zurück in meine Zelle. Ich war so bitter enttäuscht über ihren

Weitere Kostenlose Bücher