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Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Titel: Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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befahl er dem Diener, bei mir zu bleiben, bis Laura zurückkehrte, und ihr zu sagen, sie solle hier mit mir warten. Dann hauchte er mir einen Kuss auf die Wange und ging.
    Mir blieb nichts anderes übrig, als nervös in dem fremden und doch vertrauten Raum auf und ab zu gehen; ich trank noch einen letzten Schluck Wein aus meinem herrlichen Chalcedon-Kelch und setzte mich. Meine Furcht war nicht durch den Verstand zu bändigen. Außerdem war ich wütend - darüber, dass ich mein Schicksal nicht selbst in die Hand nehmen konnte, sondern dass es unter Männern besprochen und entschieden wurde.
    Ich stand auf und ging wieder auf und ab, wobei mein Saum über das Marmormosaik raschelte. Ich kann nicht sagen, wie oft ich den langen Raum durchschritten hatte, bis die Tür wieder aufging.
    Laura trat über die Schwelle. Ich sah ihr an, dass sie auf der Hut war - und nachdem der Diener ihr Giulianos Anweisung weitergegeben hatte, wurde sie noch vorsichtiger.
    Der Diener ging hinaus, und Laura blieb; sobald wir allein waren, wollte ich wissen: »Zalumma ist nicht gekommen, oder?«
    Zögernd schaute sie zu mir auf. »Nein. Unser Kutscher wurde ohne sie zurückgeschickt. Verzeiht, dass ich es Euch nicht schon früher erzählt habe, Madonna. Ich habe es vor der Zeremonie erfahren - aber es wäre grausam gewesen, Euch im Voraus zu beunruhigen.«
    Die Nachricht traf mich wie ein Schlag. Ich liebte Giu-liano und wollte ihn nicht verlassen - doch ich konnte mir nicht vorstellen, wie mein Leben sein würde, wenn mein Vater Zalumma untersagte, zu mir zu kommen. Sie war bei meiner Geburt zugegen gewesen und war meine eigentliche Verbindung zu meiner Mutter.
    Fast eine Stunde verging. Das Angebot, etwas zu essen oder zu trinken, lehnte ich ab, während ich auf einem Stuhl saß, Laura hinter mir, die mir tröstende Worte zuraunte.
    Ich hörte sie nicht: Schweigend ging ich mit mir selbst zu Rate. Nun hatte ich an die Gefühle meines Gemahls zu denken. Giuliano zuliebe würde ich Haltung bewahren, ruhig und freundlich bleiben, ganz gleich, was auf mich zukam.
    Ein lautes Klappern riss mich aus meinen energischen Gedanken; etwas war an die Fensterläden geschlagen, die geschlossen waren, obwohl die Fensterflügel offen standen. Laura lief hinüber, klappte die Fensterläden auf und schrak vor einem weiteren lauten Schlag zurück - an der Außenwand direkt unter uns hörten wir etwas aufprallen.
    Ich erhob mich und stellte mich neben sie, um hinunterzuspähen.
    Die Haare noch feucht vom Bad, bückte sich mein Vater mitten auf der Via Larga nach einem weiteren Stein. Er war aus seinem Wagen gestiegen und hatte die Zügel fallen lassen. Das scheue Pferd ging ein paar Schritte vor, dann ein paar zurück; der Fahrer der Kutsche hinter der seinen schimpfte lauthals.
    »He, Ihr da! Platz da! Platz da! Ihr könnt nicht einfach Euren Wagen da stehen lassen!«
    Mehrere Passanten - ein Prior zu Ross, ein Diener mit einem Korb voll Brot, eine schmutzstarrende Frau in verschlissenen Kleidern, die ebenso dreckige, barfüßige Kinder vor sich hertrieb - waren bereits stehen geblieben und gafften. Es war Samstagmittag, und auf der breiten Straße drängten sich Kutschen, Fußgänger und Reiter.
    »Dann nehmt mich doch fest«, schrie mein Vater, »und lasst alle Welt wissen, dass die Medici glauben, sie könnten alles stehlen, was sie haben wollen - auch die Tochter eines armen Mannes!« Selbst aus dieser Entfernung sah ich seinem Gesicht und seiner Haltung an, wie hysterisch er war; er war ohne Umhang und Kappe hierher gelaufen. Er packte den Stein und richtete sich auf, drauf und dran, ihn zu schleudern. Der Wachmann trat vor und hob drohend sein Schwert.
    Zwei Stockwerke über ihnen lehnte ich mich aus dem Fenster. »Haltet ein, alle beide!«
    Der Wachmann und mein Vater erstarrten und schauten zu mir auf; die versammelte Menge tat es ihnen gleich. Mein Vater ließ den Arm sinken, der Wachhabende seine Waffe.
    Ich hatte überhaupt keine Ahnung, was ich sagen sollte. »Mir geht es gut«, rief ich. Der Lärm auf der Straße zwang mich, aus vollem Hals zu brüllen. »Wenn du mich liebst, Vater, dann erteile mir nachträglich hierfür die Erlaubnis.«
    Mein Vater ließ den Stein fallen und umschlang sich heftig mit beiden Armen, als versuche er, die Qual bei sich zu halten; dann hob er beide Arme und winkte zu mir hoch. »Sie haben alles genommen, siehst du das nicht?«
    Seine Stimme war abgehackt wie die eines Wahnsinnigen. »Sie haben alles genommen, und

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