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Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Titel: Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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    Ich hörte, dass die Tür aufging, und schaute auf. Es gelang mir nicht mehr, den Brief zurück auf den Tisch zu legen, bevor Giuliano das Zimmer betrat.
    Mit einem flüchtigen, reumütigen Blick fielen mir drei Dinge an ihm auf: Erstens kam er mit gekünsteltem Lächeln herein, obwohl er offensichtlich einen unerfreulichen Wortwechsel mit meinem Vater hinter sich hatte; zweitens verblasste das erzwungene Lächeln, seine Lippen teilten sich vor Ehrfurcht und seine Augen weiteten sich, als sein Blick auf mich in meinem Untergewand fiel; drittens bemerkte er den Brief in meiner Hand, und seine starke Sorge und der Ärger über sich selbst gewannen die Oberhand über die beiden anderen Empfindungen.
    Er nahm mir sogleich den Brief ab. Seine Stimme klang nicht vorwurfsvoll, sondern besorgt. »Hast du ihn gelesen?«
    »Warum sollten die piagnoni Ludovico Sforza beeinflussen? Ich dachte, sie seien mehr an Gott als an Politik interessiert.«
    Bekümmert zog er die Mundwinkel nach unten, während er den Brief faltete und in den Schreibtisch legte. »Ich war ein Narr, dass ich ihn nicht versteckt habe. Ein Narr. Aber ich wurde in einer dringenden Angelegenheit weggerufen, und ich dachte, ich hätte noch Zeit, bevor du hierher kämst .«
    »Ich habe Leonardos Handschrift wiedererkannt.« Ich hielt es für richtig, nichts vor ihm zu verbergen. »Ich bin jetzt deine Frau, und du darfst dir keine Sorgen darüber machen, was ich weiß oder nicht weiß. Ich kann den Mund halten.«
    »Das ist es nicht«, hob er an. »Der Herzog von Mailand war unserer Familie stets eine Hilfe, immer unser größter Verbündeter. Wir konnten uns auf ihn verlassen, wenn wir Truppen brauchten. Als mein Onkel Giuliano getötet wurde, schrieb mein Vater an den Herzog und bat ihn um Hilfe. Sie wurde ihm umgehend gewährt. Und jetzt ...« Stirnrunzelnd wandte er den Blick ab, sein Tonfall wurde düster. »Jetzt wird uns diese Unterstützung verwehrt, und das zu einer Zeit, da wir sie am dringendsten brauchen würden.« Er seufzte. »Und ich habe dich in das alles mit hineingezogen.«
    »Du hast mich nirgendwo mit hineingezogen. Ich wäre hergekommen, ob du nun ja oder nein gesagt hättest.« Mit dem Kinn deutete ich auf den Schreibtisch, in dem der Brief lag. »Wenn ich in Gefahr bin, dann aufgrund dessen, wer ich jetzt bin, und nicht wegen der Fakten, die irgendwo in meinem Hirn deponiert sind. Das ändert die Sache überhaupt nicht.«
    »Ich weiß«, gestand er unglücklich ein. »Mir ist klar geworden, dass ich dich genauso gut unter meinen Schutz stellen kann, wenn ich dich wirklich in Sicherheit wissen will.« Er brachte ein Lächeln zustande. »Du bist noch starrköpfiger als ich. Zumindest weiß ich jetzt, wo du bist. Ist dir klar . Bestimmt ist es dir klar . Die Lage könnte noch schlimmer werden. Vielleicht müssen wir Florenz für eine Weile verlassen. Damit meine ich nicht, dass wir nur in eine unserer Villen auf dem Lande ziehen. Ich habe eine Reihe unschätzbar wertvoller Gegenstände aus der Stadt geschickt, um sie zu schützen . und ich habe sogar meine Sachen verpackt, für den Fall, dass . « Er beugte sich zurück, um mich mit Lorenzos leuchtenden Augen anzuschauen, wobei die seinen eine gewisse Offenheit besaßen, die seinem Vater gefehlt hatte. »Wir würden nach Rom gehen, wo Giovanni gute Freunde hat, und uns unter den Schutz des Papstes begeben. Es ist ganz anders als Florenz - heißer und viel dichter besiedelt .«
    »Das spielt keine Rolle«, sagte ich mit leiser Stimme. Ich trat einen Schritt auf ihn zu. Er war einen halben Kopf größer als ich, und seine Brust war breiter als meine Schulterpartie. Er trug noch immer den engen farsetto aus Samt, und zwar mit der nachlässigen Haltung eines Prinzen. Er war nicht im klassischen Sinne gutaussehend, wie etwa sein Spion Leonardo. Seine Oberlippe war schmal und hatte eine kleine, diagonal verlaufende Narbe, die von einer Verletzung in der Kindheit herrührte. Sein Kinn trat ganz leicht vor, nur ein Hauch von Lorenzos Missbildung. Sein Nasenrücken war breit und die Spitze leicht nach oben gebogen; seine Augenbrauen waren buschig und dunkel. Wenn er lächelte, entstand ein Grübchen auf seiner linken Wange. Ich berührte es mit der Fingerspitze, und er stieß einen langen Seufzer aus.
    »Du bist unglaublich schön«, sagte er. »Umso mehr, als du es offensichtlich nicht weißt.«
    Ich legte ihm die Hände auf die Schultern. »Wir haben allen Grund der Welt, uns Sorgen zu

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