Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Titel: Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
Vom Netzwerk:
warten.«
    »Dann lasst Euch von mir begleiten«, sagte Laura besänftigend und vernünftig. »Niemand hier im Haus ist netter zu mir als Ser Giuliano; es wäre mir eine große Ehre, seiner Braut aufzuwarten.«
    Ich holte tief Luft und nickte. Die Situation verlangte, dass die Hochzeitszeremonie so schnell wie möglich durchgeführt wurde, bevor man uns entdeckte.
    Laura öffnete die Tür zur Kapelle. Dort wartete Giulia-no mit dem Priester vor dem Altar. Neben ihnen stand der Bildhauer Michelangelo - eine Überraschung, da Gerüchte in Umlauf waren, er habe sich mit Piero überworfen und sei im Monat zuvor nach Venedig abgereist. Seine Anwesenheit nahm ich mit Bestürzung zur Kenntnis. Schlimm genug, dass Pico in den Schoß der Medici aufgenommen wurde. Jetzt war noch ein zweiter von Savonarolas Auserwählten sogar bei meiner eigenen Hochzeit zugegen.
    Mein Unbehagen verschwand nach einem einzigen Blick auf meinen wartenden Bräutigam. Giuliano schaute mit Freude, Verlangen und Furcht zu mir auf. Selbst die Hände des Priesters, die ein kleines Buch umklammerten, zitterten. Angesichts ihrer Angst ließ meine eigene nach.
    Mit dieser unnatürlichen inneren Ruhe ging ich auf die drei Männer zu - Laura hielt meine Schleppe - und gestattete mir einen Moment, die ganze Pracht der Kapelle in mich aufzunehmen. Im Chorraum über dem Altar war ein Fresko vom Jesuskind, angebetet von der Madonna und Engeln, äußerst zart herausgearbeitet. An der senkrechten Wand zu meiner Linken war ein Fresko in farbigerem und robusterem Stil von den drei Weisen aus dem Morgenland, die in einer Prozession zum Kind ziehen.
    Der Weise gleich neben mir war jung, nach florentini-scher Mode gekleidet und getragen von einem weißen
    Pferd, in Rot und Gold aufgezäumt. Auf den ihm folgenden Pferden sah ich Gesichter, die ich wiedererkannte: der alte Piero de' Medici und seine jungen Söhne Lorenzo -ausgesprochen reizlos, selbst in seiner idealisierten Jugend
    - und der gut aussehende Giuliano. Lorenzo hielt den Blick in Richtung des Heiligen Kindes gerichtet, doch sein Bruder war dem Betrachter zugewandt und schaute auf einen verschwommenen Punkt in weiter Ferne, sein Ausdruck ungewöhnlich ernst.
    Es war mir kein Trost, als ich in einer Ecke des Wandbildes das anziehende Gesicht von Giovanni Pico erblickte.
    Obwohl es kurz vor Mittag war, lag das Innere der Kapelle im Dunkel. Mehrere Kerzen brannten, deren Licht von der ungeheuren Menge Blattgold an den Wänden widergespiegelt wurde und die erstaunlichen Farben hervorhob: Rosa und Korallenrot, Türkis- und Grüntöne von Engelsflügeln und dem Gefieder der Vögel, das Rot und Gold der Gewänder, das blendende Weiß und Blau des Himmels, die dunklen Grüntöne von Hügeln und Bäumen.
    »Madonna, halt!« Die Dienerin Laura blieb stehen; vom Fresko abgelenkt, schaute ich mich verwirrt um. Erst als der Priester mir ein Zeichen gab, schaute ich vor mich und sah die Girlande aus getrockneten Rosen und Wildblumen, die über den Boden der Kapelle verstreut war.
    Giuliano kniete nieder und zerteilte die Girlande mit einem entschlossenen Ruck.
    Vollkommener hätte man mich nicht gewinnen können. Er erhob sich, nahm mich an die Hand und zog mich mit sich vor den Altar.
    Trotz seiner Nervosität und seiner Jugend war Giuliano selbstbeherrscht; er drehte sich mit der Sicherheit eines Mannes nach Michelangelo um, der in seinem Leben viel Verantwortung übernommen hat. »Den Ring«, sagte er. Er wäre vielleicht nicht imstande gewesen, das Kleid zu besorgen, eine große Kathedrale voller Menschen oder den Segen meines Vaters, doch er hatte sich bemüht, mir die Dinge zu geben, die ihm möglich waren.
    Michelangelo drückte Giuliano den Gegenstand in die Hand. Zwischen den beiden Verschwörern herrschte eine Leichtigkeit, die mich glauben ließ, dass sie eine Zeit lang enge Freunde waren, Brüder beinahe, begeistert von denselben Sachen, dieselben Geheimnisse teilend. Und das beunruhigte mich wieder.
    Giuliano nahm meine Hand und streifte mir den Ring über den Finger. Der Reif entsprach ganz den Vorschriften der Stadt über Eheringe und war aus schlichtem Gold und schmal. Außerdem saß er bedrohlich locker, sodass Giulia-no meine Faust darüber schloss, damit er an Ort und Stelle blieb. Dann flüsterte er mir ins Ohr: »Deine Hände sind zarter, als ich dachte; wir werden ihn richtig anpassen lassen.«
    Er nickte dem Priester zu, und die Zeremonie begann.
    Ich kann mich an die Worte nicht erinnern, nur dass

Weitere Kostenlose Bücher