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Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Titel: Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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wandte sich zur Tür um. »Leonardo«, sagte er. »Leonardo sah ihn; mein Onkel ist in seinen Armen gestorben. Lisa, ich muss gehen. Gib mir noch einen Kuss.«
    Am liebsten hätte ich aus schierer Sorge geweint, statt-dessen küsste ich ihn.
    »Die Wachen stehen direkt vor der Tür«, sagte er rasch, »und sie werden dir Bescheid geben, ob du zu Giovanni gehen musst. Bleib hier. Laura wird dir etwas zu essen bringen.« Er machte die Tür auf und drehte den Kopf, um mich noch einmal anzusehen. Sein Gesicht war jung, vom Schein des Feuers beleuchtet; seine Augen glänzten ängstlich. »Ich liebe dich.«
    »Ich liebe dich«, sagte ich.
    Er schloss die Tür. Ich trat ans Fenster und öffnete es, ohne auf die Kälte zu achten. Schließlich rissen die Wolken auf, und ich erhaschte einen Blick auf die untergehende, korallenrote Sonne. Ich lehnte mich eine Weile aus dem Fenster, lauschte auf die Glocken und sah zu, wie Piero und Giuliano hoch zu Ross aufbrachen, begleitet von etwa dreißig Männern.
    »Leonardo«, sagte ich, doch niemand war da, der mich hörte. Irgendwie waren wir miteinander verbunden, auch durch die Schwierigkeiten, die jetzt bestimmt auf uns zukommen würden.

46
    Ich lauschte den vielstimmigen Kirchenglocken, bis auch der letzte Ton in der vibrierenden Luft verhallt war. Ich hatte das Gefühl, ich sollte nach unten in die Kapelle gehen, wo Giovanni und Michelangelo ohne Zweifel beim Vespergebet waren; ich sollte an den wohlwollenden Gott meiner Mutter ein Gebet richten, er möge meinen Gemahl beschützen. Allerdings war ich zu dem Zeitpunkt viel zu erregt, um mich mit Gott oder einem anderen auszutauschen. Ich war sogar zu aufgewühlt, um Giuliano zu gehorchen und geduldig im Schlafgemach sitzen zu bleiben.
    Ich trug wieder mein Hochzeitskleid, da Zalumma ja mit meinen anderen Sachen nicht gekommen war; weil es kühl war, zog ich das schöne Überkleid aus Brokat mit Pelzfutter über. Ein innerer Impuls ließ mich innehalten und meine beiden Goldmedaillons aus dem Schreibtisch holen, in den Laura sie gelegt hatte, als sie mich am Abend zuvor ausgezogen hatte. Ich ließ sie in die Tasche des Überkleids gleiten und trat ins Vorzimmer.
    Mein Riese erhob sich. »Braucht Ihr etwas, Madonna Lisa?«
    »Nein, ich gehe nur in die Küche, um mir etwas zu essen zu holen«, log ich aufgeräumt und schenkte ihm mein schönstes Lächeln.
    Besorgnis machte sich auf seinem Gesicht breit. »Aber Ser Giuliano hat den Befehl gegeben .«
    Mein Lächeln wurde noch breiter. »Dass ich in meinem Zimmer bleiben soll. Ich weiß. Aber er hat gesagt, falls ich Hunger bekäme, würde es nicht schaden, wenn ich in die
    Küche ginge. Im Übrigen langweilt mich Petrarca. Ich möchte mir noch ein anderes Buch aus der Bibliothek ausleihen.«
    »Wir können Euch etwas zu essen holen - was immer Ihr wollt. Und wenn Ihr uns den Titel des Buches nennt .«
    »Ah, aber ich kenne mich in der Bibliothek nicht aus und wüsste daher gar nicht, um welches Buch ich bitten sollte.« Mein Tonfall wurde flehentlich. »Bitte. Ich bin auch gleich wieder da.«
    »Na schön«, sagte er zögernd. »Doch ich muss bei allem Respekt darum bitten, dass Ihr nicht trödelt. Ser Giuliano würde mir nie verzeihen, wenn er zurückkäme und ich keine Rechenschaft über Euren Verbleib ablegen könnte.« Er führte mich an die Tür des Vorzimmers und blieb stehen, um die beiden Wachen dort mit leiser Stimme zu instruieren. Als ich über den Korridor ging, hörte ich, dass einer von ihnen mir in diskretem Abstand folgte.
    Ich ging die Treppe hinunter, vorbei an weiteren Wachposten. Ich hatte natürlich nicht den Wunsch, in die Küche zu gehen; ich wollte mich nur ablenken. Deshalb trat ich in den Hof hinaus.
    Er war fast noch genauso, wie ich ihn in Erinnerung hatte: Dort, in der Mitte, war Donatellos schlanker, mädchenhafter Bronze-David, daneben eine steinerne Büste Platos. Viele der alten Stücke waren jedoch nicht mehr da, darunter auch, höchst bemerkenswert, die Terrakottaskulptur des älteren Giuliano.
    Ich hatte von den berühmten Gärten der Medici gehört und wusste, dass sie hinter dem Hof lagen. Ich ging zwischen zwei Säulen hindurch, die mittels eines Bogens aus pietra serena miteinander verbunden waren, und durchquerte eine Loggia, bis sich das Gebäude erneut öffnete.
    Hier fand ich den architektonischen Garten, der ein
    Drittel der Grundfläche des riesigen Palazzo umfasste. In der Mitte eines hellgrünen Rasens kreuzten sich zwei gepflasterte

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