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Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Titel: Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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sein Triumph sein.
    Eine Ewigkeit beugte ich mich aus dem Fenster - wie meine Nachbarn, die auf ein Zeichen warteten. Qualvolle Momente vergingen, bevor es kam: leise aus dem Osten und Süden, ein fernes, unverständliches Grollen zunächst. Dann erhob sich eine einzige Stimme, hoch und klar über den Wind.
    »Popolo e liberta! Popolo e liberta!«
    Sogleich fiel mir Messer Iacopo hoch zu Ross auf der großen Piazza ein, der vergeblich versuchte, das Volk auf seine Seite zu ziehen. Nur waren jetzt mein Gemahl und sein Bruder auf dieser Piazza - und ihre Bemühungen waren ebenso erfolglos.
    Ich dachte an Messer Iacopos Leichnam, aufgedunsen und bläulich-weiß, exhumiert und durch die Straßen der Stadt geschleift.
    Draußen rannten Diener wieder in ihre Palazzi zurück und schlugen Türen hinter sich zu; Fußgänger zerstreuten sich, liefen auf das Geräusch zu oder ergriffen die Flucht.
    Ich stieß mich vom Fenster ab und zog hastig mein Überkleid an. Sonst hatte ich nichts mitgebracht, hatte also auch nicht mehr mitzunehmen - an der Tür jedoch blieb ich noch einmal stehen. Ich zog die Schublade im Schreibtisch auf, fand Leonardos Brief und warf ihn instinktiv ins Feuer.
    Geh zu Giovanni, hatte mein Gemahl gesagt.
    Ich eilte hinaus ins Vorzimmer und stellte fest, dass die Wachen verschwunden waren. Ich lief in den Korridor und sah Michelangelo auf mich zulaufen. Seine Schüchternheit war verflogen und durch Eindringlichkeit ersetzt; diesmal sah er mir direkt in die Augen. Kurz vor einem Zusammenprall blieben wir stehen; sein Atem war ebenso stockend wie meiner.
    »Wo ist Giuliano? Ist er wieder da?«, fragte ich.
    Wir redeten gleichzeitig: »Madonna, Ihr müsst fliehen! Geht schnell zu Giovanni!«, sagte er.
    »Giuliano ...«
    »Ich habe ihn nicht gesehen. Ich glaube nicht, dass er zurückgekommen ist. Aber ich weiß, er möchte, dass Ihr mit seinem Bruder geht.«
    Er nahm mich am Ellenbogen und führte mich die Treppe hinunter, über den Hof und eine weitere Treppenflucht hinauf. Er schob mich schneller, als ich laufen konnte; zweimal stolperte ich über meine Röcke.
    Als wir unser Ziel erreichten, riss Michelangelo die Tür auf. Giovanni wies mit besonnenen, ruhigen Bewegungen zwei Diener an, wohin seine gepackten Truhen zu bringen seien. Erst als er aufblickte, sah ich die Nervosität in seinen Augen, seine Stimme aber war emotionslos.
    »Was ist los?« Anscheinend war er über die Störung verärgert, beinahe feindselig.
    »Ihr müsst Euch um Madonna Lisa kümmern«, antwortete Michelangelo barsch mit deutlicher Abneigung. »Ihr habt es Eurem Bruder versprochen. Mein Ziel ist für sie nicht sicher.«
    »Oh, ja.« Giovanni schnippte mit den Fingern und entließ die Diener, deren Gesichter unter der Last rot angelaufen waren. »Gewiss doch.«
    Michelangelo drehte sich zu mir um. »Ich bete zu Gott, dass wir uns Wiedersehen, unter günstigeren Umständen.« Mit diesen Worten verschwand er, seine raschen Schritte verhallten im Korridor.
    Giovannis scharlachrote Robe und die schwarze Samtkappe waren makellos; er war frisch rasiert und gepflegt, als hätte er sich auf einen hochrangigen Besucher vorbereitet. Er war zu zerstreut, vielleicht auch zu ängstlich, um sich zu verstellen. Er sah mich unfreundlich an. Ich war ein Ärgernis, ein Fehltritt.
    »Geht und packt Eure Sachen«, sagte er. »Ich werde Laura schicken, Euch zu helfen.«
    Ich glaubte ihm kein Wort und deutete auf meine Kleidung. »Ich habe nichts zu packen. Das ist alles, was ich mitgebracht habe.« Was auch stimmte, abgesehen von dem mausbraunen Kleid, das ich auf Geheiß meines Vaters hatte tragen müssen; ich war nur allzu froh, es zurückzulassen.
    »Dann geht in Eure Gemächer.« Der Kardinal musterte mich und sagte dann: »Wisst Ihr, es sind weiter nichts als ein paar Prioren, die versuchen, einen Aufstand anzuzetteln. Mit etwas Glück werden meine Brüder die ...« - er zögerte noch, bevor er die beiden letzten Wörter aussprach, und ich wusste, er hätte beinahe Giuliano gesagt - »Ruhe wiederherstellen. Unterdessen werde ich hinausreiten, um ihnen zu helfen.« Er stieß einen Seufzer aus, als habe er sich damit abgefunden, Gnade zu zeigen. »Keine Sorge, ich lasse Euch nicht hier.«
    »Danke«, sagte ich.
    »Geht. Ich lasse Laura rufen, damit sie sich zu Euch setzt.«
    Ich durchquerte den Palazzo und kehrte in Lorenzos Schlafgemach zurück. Ich konnte nicht widerstehen, aus dem offenen Fenster zu schauen, das den Raum trotz des Feuers mit

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