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Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Titel: Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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»nutzlosen« Tand als eine »Spende« an die Kirche zu konfiszieren. Bürger wagten sich nur noch verstohlen vor die Tür aus Furcht, sie könnten durch eine Gedankenlosigkeit auf sich aufmerksam machen oder eine zufällige Bemerkung könnte als Beweis für ihre Gleichgültigkeit gegenüber Gott herhalten.
    Wir alle bekamen es mit der Angst zu tun.
    Unterdessen diktierte Gott der Herr, Florenz solle nicht mehr von den Reichen regiert werden. ER zog einen Großen Rat vor nach dem Vorbild Venedigs, und falls kein solcher geschaffen werde, würde ER die Stadt heimsuchen. Auch die Mutter Gottes interessierte sich nun für Politik. Sie erschien dem Mönch und redete eloquent auf Toskanisch über die Notwendigkeit von Reformen.
    Savonarola begann vehement gegen Rom und das skandalöse Verhalten von Papst Alexander zu predigen, der seine minderjährige Geliebte mit in den Vatikan gebracht hatte.
    Francesco lehrte mich einen neuen Ausdruck: Arrabbia-ti, die tollwütigen Hunde. Das waren die Männer, die Savonarola anknurrten, die sagten, ein Mönch habe in der Politik nichts verloren. Für sie hatte Francesco nur Verachtung übrig.
    Mein Vater, einst ein ausgesprochener Befürworter des Mönchs, bedachte die damalige Zeit nur noch mit gezwungenem Lächeln oder mit Stirnrunzeln, sagte aber nicht viel. Das innere Feuer hatte ihn gänzlich verlassen, obwohl er mit Francesco ging, um Savonarola predigen zu hören.
    Gespräche über Savonarola ärgerten mich. Frauen waren nun von seinen Gottesdiensten ausgeschlossen - angesichts der Tatsache, dass er meistens über politische Angelegenheiten redete -, bis auf die Samstage, an denen er direkt zum anderen Geschlecht sprach. Ich war verpflichtet, daran teilzunehmen; schließlich war mein Gemahl ein buonomo. Zalumma und ich saßen starr da und hörten schweigend zu.
    Zuweilen jedoch sprach ich zu Gott. Ich hatte IHM nach der Genesung meines Vaters weitgehend verziehen. Allerdings betete ich nur in unserer Familienkapelle Santissima Annunziata, in der ich mich wohlfühlte. Mir gefiel es, dass sie alt, klein und schlicht war.
    In dieser Zeit war König Karl von Frankreich unterwegs nach Neapel, nur um dort endgültig besiegt zu werden. Seine Armee verfolgte ihre Spuren zurück nach Norden, marschierte ungehindert durch Rom, bis sie schließlich kaum zwei Tagesritte vor Florenz stand.
    Savonarola warnte uns, wir sollten büßen, sonst würde uns Gott in Gestalt von Karl niederschmettern. Zur gleichen Zeit ging der Mönch nach Siena, nahm Karl die Beichte ab, gab ihm die Hostie und drohte ihm persönlich mit dem Zorn Gottes, falls er Pisa nicht an uns ausliefere.
    Karl äußerte sich nicht zu dem Thema; Savonarola kam ohne Antwort zurück, und wir Florentiner bekamen es mit der Angst zu tun, als die Franzosen in Siena verweilten.
    Mich aber konnte das nicht beunruhigen. Ich saß auf meinem Balkon und sah zu, wie die weißen Lilien aufblühten.
    Im Mai ertränkte Hochwasser das junge Korn, das an den Ufern des Arno wuchs. Ein Zeichen für Gottes Missbilligung, sagte der Prophet; wenn wir nicht büßten, würde ER als Nächstes Karl schicken. Ich beobachtete, wie die Lorbeerbäume voller wurden und ihre Blätter silbrig im Wind flatterten; ich sah zu, wie sie sich unter dem grauen Regen beugten.
    Im Juni blickte ich auf die Rosen, deren lebhaftes Rot sich von dem dunklen Grün abhob; ich atmete ihren Duft ein, den mir der seichte Wind zuwehte. Aus dem Maul des Löwen floss Wasser mit beruhigendem, stetigem Gurgeln.
    Der August war schwül, und mir ging es nicht gut. Ich konnte nicht schlafen wegen der Hitze, wegen des unruhigen Kindes, wegen meiner Rückenschmerzen. Liegen, Sitzen und Stehen war unbequem; ich konnte meine Füße nicht mehr sehen, konnte mir nicht mehr die Schuhe ausziehen, konnte kaum noch aus dem Bett oder von einem Stuhl aufstehen. Mein Ehering saß so fest, dass mir der Finger wehtat. Zalumma seifte ihn reichlich ein, und als sie ihn mir schließlich erfolgreich abzog, kreischte ich.
    Zalumma und ich rechneten. Wir erwarteten die Niederkunft in der ersten oder zweiten Woche des Monats. Mit der letzten Woche war Zalumma zufrieden - die späte Geburt würde Francesco nur noch mehr davon überzeugen, dass es sein Kind war -, ich aber war zu verzweifelt, um mein Glück gebührend zu würdigen.
    Kurz vor dem ersten September war ich zu allen unleidlich, einschließlich Zalumma. Ich erschien nun nicht mehr zum Abendessen; Francesco schickte mir kleine Geschenke auf mein

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