Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Titel: Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
Vom Netzwerk:
machte eine Bewegung, als wollte er es mir abnehmen, doch ich hob drohend den Schürhaken. Er sah meine Waffe, und seine vollen Lippen verzogen sich zu einem halbmondförmigen Lächeln. Lüsternheit lag darin, und gute Laune. Er war ebenso furchtlos wie ich. Außerdem wusste er genauso gut wie ich, dass er einfach nur ein paar Schritte zurückgehen musste, um an den Schürhaken neben dem kalten Kamin heranzukommen. Er schenkte ihm einen flüchtigen Blick, verwarf den Gedanken aber gleich wieder.
    »Monna Lisa.« Sein Tonfall war der eines leicht verblüfften Menschen, der einen Freund findet, den er gut kennt, wenn auch nicht an der Stelle, an der er ihn vermutet hätte. Er sah aus wie ein armer Lehrjunge, und er sprach wie ein Händler.
    »Wer seid Ihr?«, wollte ich wissen.
    »Der kleine Satan.« Er behielt sein Lächeln bei; sein Blick wurde belustigt und herausfordernd, als wäre ich diejenige, die unbefugt eingedrungen war, nicht er. Er war ein tapferer, fröhlicher Krimineller.
    »Woher wisst Ihr, wie ich heiße?«
    »Euer Gemahl wird bald nach Hause kommen. Ich sollte besser gehen, meint Ihr nicht? Sonst stecken wir beide in einem ziemlichen Schlamassel. Es ist für Euch entsetzlich früh, im Nachtgewand mit einem jungen Mann ertappt zu werden.« Er beäugte den Schürhaken, kam zu dem Entschluss, dass ich ihn nicht benutzen würde, und griff nach dem gefalteten Papier in meiner Hand. »Ihr seid zu einem unglücklichen Zeitpunkt aufgetaucht. Wenn ich nur noch einen Blick auf den Brief werfen dürfte, bitte - mehr nicht -, dann werde ich ihn Euch gern zurückgeben und verschwinden. Und Ihr könnt so tun, als hättet Ihr mich nie gesehen ...«
    Seine Finger kratzen über das Papier. Jeden Moment konnte er es mir nehmen; ich kam zu einem Entschluss.
    »Hilfe!«, schrie ich. »Ein Dieb! Ein Dieb!«
    Sein Lächeln wurde breiter und entblößte weiße Zähne mit einer kleinen Lücke zwischen den vorderen Schneidezähnen. Er unternahm keinen zweiten Versuch - wie ich es eigentlich erwartet hatte -, sich den Brief zu schnappen; im Gegenteil, seine Augen strahlten zustimmend über meine Taktik.
    Ich rief noch einmal.
    »Dann werde ich mich jetzt verabschieden«, sagte er und schoss mit überraschend leichtem Schritt die Treppe hinunter. Ich folgte ihm, so schnell mein geschwollener Leib es zuließ, und sah, wie er die vordere Eingangstür aufriss. Er ließ sie hinter sich offen, und ich schaute seiner dunklen Gestalt nach, während er über die gewundene Auffahrt in die Nacht rannte.
    Ich war vollkommen verblüfft und neugierig. Und als Claudio und Agrippina mich riefen, faltete ich das Papier zusammen und steckte es mir unter den Arm, sodass es zwischen den Falten meines Nachtgewandes verschwand.
    Als sie außer Atem und verängstigt zu mir kamen, sagte ich: »Es muss ein Traum gewesen sein. Ich dachte, jemand sei hier gewesen . aber da war niemand.«
    Sie schüttelten den Kopf, als ich sie wieder in ihre Zimmer schickte; Claudio murmelte etwas über Schwangere vor sich hin.
    Sobald sie fort waren, ging ich zurück in Francescos Arbeitszimmer und hielt das Papier an die Lampe. Es handelte sich in der Tat um einen Brief, der zweimal gefaltet war, das schwarze Wachssiegel aufgebrochen. Die Schrift neigte sich stark nach rechts und war dick, als hätte jemand großen Druck auf die Feder ausgeübt. Das Papier selbst war abgegriffen, als hätte es eine lange Reise hinter sich.
    Eure Sorgen um Vergeltung seitens Alexanders sind unbegründet; die Exkommunikation ist ein reines Gerücht. Wenn es mehr als das wird, werden wir es zu unserem Vorteil nutzen.
    Unterdessen fahrt fort, ihn dazu zu ermutigen, gegen Rom und die arrabbiati zu predigen. Und schickt mir die Namen aller Bigi ...
    Die Bigi. Die Grauen, im Allgemeinen ältere und gesetzte Männer, die die Medici unterstützten. Ich hatte den Begriff schon einmal aus dem Munde meines Gemahls und von meinem Vater gehört.
    ... aber unternehmt nichts weiter; ein Schlag zum jetzigen Zeitpunkt wäre verfrüht. Ich untersuche Pieros Pläne für eine Invasion. Er hat sich vorübergehend in Rom niedergelassen, und ich habe dort Agenten gefunden, die bereit sind, mit ihm so zu verfahren, wie Ihr es mit Pico gemacht habt. Wenn uns das gelingt, werden die Bigi keine große Gefahr mehr sein.
    Eure Hilfe wird wie immer in Erinnerung behalten und belohnt.
    Ich faltete den Brief wieder zusammen und legte ihn in den Schreibtisch an die Stelle, an der Francesco seine Korrespondenz aufhob.

Weitere Kostenlose Bücher