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Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Titel: Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Dann schloss ich die Schublade ab. Ich hielt einen Augenblick inne und betrachtete den Schlüssel. Isabella hatte ihn dem Eindringling gegeben; war es der, der meinem Gemahl gehörte, oder ein nachgemachter?
    Ich behielt ihn in der Hand. Sollte Francesco ihn vermissen, hätte Isabella es zu erklären, nicht ich.
    Dann ging ich wieder in mein Schlafgemach. Im Halbschlaf murmelte Zalumma vage vor sich hin, sie habe unten Geräusche gehört.
    »Es war nichts. Schlaf weiter«, sagte ich, was sie dankbar annahm.
    Ich mied mein Bett und ging hinaus auf den Balkon, um nachzudenken. Die Luft war erstickend warm, gewichtig wie Wasser; ich atmete ein und spürte, wie sie sich schwer in mir niederließ, in meinen Lungen und in meinem Herzen.
    ... fahrt fort, ihn zu ermutigen, gegen Rom und die ar-rabbiati zu predigen.
    Ich dachte daran, wie Francesco treu jeden Gottesdienst Savonarolas besuchte, sorgsam auf jedes Wort achtend. Wie er dann in seinen üppigen Palast zurückkehrte und mich mit Juwelen verwöhnte. Wie er jeden Abend zu seinen Huren ritt.
    ... bereit, mit ihm zu verfahren, wie Ihr es mit Pico gemacht habt.
    Ich dachte an Pico mit dem Kelch in den Händen, wie er Lorenzo anlächelte; an Pico, hohläugig und mit eingefallenen Wangen. An Francesco, wie er leise sagte, Pico? Er war doch ein Gesellschafter von Lorenzo, oder nicht? Leider rechnet man nicht damit, dass er noch lange zu leben hat.
    Ich war der Meinung gewesen, die größte Gefahr für mich und meinen Vater sei dann gekommen, wenn Francesco einfach nur den Mund aufmachte, um meine Verbindung zu den Medici aufzudecken. Wenn er redete.
    Es wäre schrecklich für Euren Vater, wenn er noch mehr leiden müsste. Schrecklich, wenn er sterben müsste.
    Ich dachte, ich hätte meinen Gemahl durchschaut. Ich begriff gar nichts.
    Die Welt war heiß, schwer und stickig. Ich legte den Kopf auf die Knie, bekam aber nicht genug Luft, um zu weinen.
    Mein Körper öffnete sich; ich hörte das Aufplatschen von Flüssigkeit und erkannte, dass ich die Quelle war.
    Mein Stuhl, meine Beine, mein Nachthemd waren durchnässt, und als ich verblüfft aufstand, packte mich ein so heftiger Krampf, dass ich meinte, mein Körper würde umgestülpt.
    Ich schrie auf und griff ans Balkongeländer, und als Za-lumma auftauchte, die Augen weit aufgerissen und keuchend, bat ich sie, mir die Hebamme zu holen.
56
    Francesco gab dem Jungen den Namen Matteo Massimo; Massimo nach Francescos Vater und Matteo nach seinem Großvater. Pflichtgetreu nahm ich die patriarchalische Namensgebung hin; ich hatte immer gewusst, dass ich ihn nicht Giuliano nennen konnte. Außerdem freute es mich zu hören, dass Matteo »Geschenk Gottes« bedeutete. Etwas Besseres hätte Gott mir nicht schenken können.
    Matteo sah erstaunlich gut aus; er gab mir mein Herz zurück. Ohne ihn hätte ich nicht ertragen können, was ich im Arbeitszimmer meines Gemahls erfahren hatte; ohne ihn hätte ich keinen Grund gehabt, mutig zu sein. Ihm zuliebe behielt ich meine Vermutungen für mich und erzählte nur Zalumma von dem Brief - das war notwendig, da ihr der Schlüssel auffallen würde, den ich an mich genommen hatte und den Francesco nie erwähnte.
    Als ich die Zeile über Pico zitierte, begriff sie sofort und bekreuzigte sich verängstigt.
    Am Tag nach seiner Geburt wurde Matteo in San Giovanni getauft, wo auch meine zweite Ehe geschlossen worden war. Die förmliche Taufe fand zwei Wochen später in San-tissima Annunziata statt, ein ganzes Stück weiter im Norden im benachbarten Stadtteil von San Giovanni. Seit vielen Generationen unterhielt Francescos Familie dort eine Privatkapelle. Die Kirche stand an einer Seite der Piazza, auf der anderen das Waisenhaus, das Ospedale di Santa Maria degli Innocenti. Die anmutigen Bogengänge der Ge-bäude - sie alle trugen Michelozzos Handschrift - gingen zur Straße hin.
    Ich fand die Kapelle tröstlich. Bis auf das bronzene Kruzifix mit dem gepeinigten Gottessohn erhoben sich weiß getünchte, kahle Wände über einem aus dunklem Holz geschnitzten Altar, zu beiden Seiten von eisernen Kandelabern gesäumt, die so groß und doppelt so breit waren wie ich. Der goldene Schein von vierundzwanzig Kerzen vermochte die fensterlose Dunkelheit kaum zu erhellen. Der Raum roch nach Staub, nach Holz und Stein, nach süßlichem Weihrauch und Kerzenwachs, hallte von den gemurmelten Gebeten vieler Jahrhunderte wider.
    Seit der Geburt meines Sohnes hatte ich mich von Francesco ferngehalten; mein Hass, mein

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