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Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Titel: Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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während Zalumma auf ihrer Schlafstatt ruhte.
    Die Worte des Priesters fielen mir wieder ein: Lest das nur bei Nacht. Heute, wenn Ihr allein seid.
    Ich stand auf. In der Dunkelheit bewegte ich mich behutsam und vorsichtig, obwohl Zalumma nur schwer zu wecken war. Ich zündete eine Kerze an, öffnete die Schublade neben meinem Bett ganz langsam und holte das Papier hervor, das mir der Priester gegeben hatte.
    Ich kam mir dumm vor und war verängstigt, als ich es an die Flamme hielt.
    Ich starrte auf die weiße Fläche und runzelte die Stirn -bis mir eine Eingebung kam. Ich hielt das Papier näher an die Hitze, so nah, dass die Flamme danach züngelte und dunkel zu qualmen begann.
    Vor meinen Augen tauchten allmählich Buchstaben auf, durchsichtig und von wässrigem Braun. Verblüfft schnappte ich nach Luft.
    Ich grüße Euch.
    Ich bedaure, dass ich auf Euren früheren Brief nicht habe antworten können.
    Kommt morgen ohne Begleitung zur Sext und bittet
    Gott um die Antwort.
    Seit Jahrhunderten hatten die Gläubigen den Tag in Gebetsstunden eingeteilt: die geläufigsten waren die Mette bei Tagesanbruch und die Vesper am Abend. Nach dem Morgengrauen folgte die dritte Stunde des Morgens, die Terz, und die sechste Stunde, die Sext, am Mittag.
    Ich betrachtete die Schrift, die perfekten, senkrechten Buchstaben mit den langen, geschwungenen »f« und »l«, den gedrungenen »n«, der nachlässigen Orthographie. Ich hatte sie bisher erst zweimal gesehen, erkannte sie aber sofort.
    Ich grüße Euch, Madonna Lisa, aus Mailand ...
57
    Den Rest der Nacht schlief ich nicht, sondern lag in meinem Bett und dachte über den Brief nach. Geht beten, hatte es dort geheißen. Ohne Begleitung. Es hatte gewiss zu bedeuten, dass ich den Palazzo verlassen sollte; doch es gab mindestens hundert Kirchen in Florenz. In welche sollte ich mich denn nur begeben?
    Am Ende kam ich zu dem Schluss, dass nur eine Kirche in Frage kam: Santissima Annunziata, unsere Familienkapelle, die ich leicht aufsuchen konnte, um zur Mette oder zur Sext zu beten, ohne Verdacht zu erregen. Dort, wo ich zuletzt dem Satan persönlich begegnet war.
    Am Morgen stand ich auf, ohne Zalumma etwas zu sagen, aber sie spürte meine Erregung und fragte mich, was mir Sorgen bereite. Als ich ihr von meiner Absicht erzählte, ich wolle beten - und zwar allein -, verfinsterte sich ihre Miene. Ich ging selten ohne sie aus.
    »Das muss mit dem Brief zu tun haben«, sagte sie. Bei ihren Worten erschrak ich, bis mir klar wurde, dass sie sich auf den Brief bezog, den der teuflische junge Eindringling hatte fallen lassen und von dem ich ihr berichtet hatte. »Ich weiß, Ihr wollt mir keine Angst einjagen, Madonna, doch ich mache mir unweigerlich Sorgen. Der Gedanke, dass Ihr in gefährliche Angelegenheiten mit hineingezogen werdet, gefällt mir ganz und gar nicht.«
    »So dumm wäre ich nie«, sagte ich, aber die Unsicherheit in meiner Stimme strafte mich Lügen.
    Sie schüttelte den Kopf. »Dann geht eben allein«, sagte sie finster, hart an der Grenze dessen, was eine Sklavin ihrer Herrin sagen durfte. »Bedenkt nur, dass Ihr ein Kind habt.«
    Meine Antwort war eine Spur zu hitzig. »Das würde ich nie vergessen.«
    Der Kutscher brachte mich zur Santissima Annunziata. Ich wies ihn an, auf dem offenen Platz vor der Kirche zu warten, gegenüber von den anmutigen Kolonnaden des Waisenhauses. Gerade als die Glocken die Gläubigen riefen, trat ich über die Schwelle des Narthex, ging an den Mönchen und Kirchgängern vorbei und begab mich zu unserer kleinen Kapelle.
    Der Raum war leer, was mich zugleich enttäuschte und erleichterte. Kein Priester erwartete mich; die Kerzen brannten nicht, die Luft war nicht von Weihrauch geschwängert. Ich hatte keine Vorkehrungen getroffen und niemandem außer Zalumma und dem Kutscher von meinem Kommen erzählt. Unsicher trat ich vor den Altar und kniete nieder. In den nächsten Minuten beruhigte ich mich beim Beten des Rosenkranzes. Als ich schließlich leichte, rasche Schritte hinter mir vernahm, drehte ich mich um.
    Lächelnd stand der kleine Satan in seiner Verkleidung als Servitenmönch vor mir. Die Kapuze hatte er über den Kopf gezogen; in den Händen hielt er gefalteten, schwarzen Stoff.
    »Monna Lisa«, sagte er. »Wollt ihr mitkommen?« Er versuchte die Rolle des Höflichen und Umsichtigen zu spielen, vermochte aber nicht ganz die Verschlagenheit in seiner Stimme und seinen Augen zu verbergen.
    Anstelle einer Antwort erhob ich mich. Als ich auf

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