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Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Titel: Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Ekel, meine Angst waren so groß, dass ich es kaum über mich brachte, ihn anzusehen. Sein Verhalten war unverändert - fürsorglich und milde -, doch wenn ich ihn nun betrachtete, sah ich in ihm einen Mann, der des Mordes an Pico und vielleicht auch an Lorenzo fähig war. Ich sah einen Mann, der dazu beigetragen hatte, Piero zu vertreiben, und damit den Tod meines Giuliano verursacht hatte.
    Ich hatte versucht, alle Mutmaßungen über die dunklen Machenschaften meines Gemahls mit Savonarola durch meine mütterliche Hingabe auszulöschen, als könnte das Vergessen auf wunderbare Weise Matteo davor schützen. Ich hatte es versucht - doch als ich in der Kapelle saß und mein Kind anstrahlte, wurde mir übel bei dem Gedanken, dass Francesco neben mir saß.
    Onkel Lauro und Giovanna Maria waren die Paten. Matteo war ein sehr genügsames Kind; er verschlief den größten Teil der Zeremonie, und als er wach wurde, lächelte er. Ich saß da, noch geschwächt von den langen Wehen, und sah mit Freude, wie mein Vater den Kleinen in den Armen hielt und Lauro für ihn antwortete.
    Als mein Vater seinen Enkel danach stolz durch den Mittelgang trug und die anderen ihm folgten, blieb ich stehen, um Matteos Taufurkunde vom Priester in Empfang zu nehmen. Er war jung und nervös; während der Zeremonie war mehrfach ein Kiekser in seiner Stimme zu hören gewesen. Als ich die Urkunde an mich nahm, ließ er sie nicht sofort los, sondern warf einen verstohlenen Blick auf die anderen; nachdem er sich vergewissert hatte, dass sie mit dem Säugling beschäftigt waren, zischte er mir zu:
    »In der Nacht. Lest das hier nur in der Nacht - heute, wenn Ihr allein seid.«
    Ich fuhr zurück . dann schaute ich auf meine Hände. Er hatte mir mehr als nur ein Stück Pergament gegeben; darunter hatte ein säuberlich gefaltetes Papier gesteckt.
    Da ich ihn für verrückt hielt, entfernte ich mich rasch von ihm und eilte hinter den anderen her.
    Draußen auf der Piazza hatte ich die anderen beinahe eingeholt, als mir ein junger Mönch in den Weg trat. Er trug die schwarze Robe der Diener Marias, des Ordens, dessen Klosterschule hier in Santissima Annunziata untergebracht war. Er hatte die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, sodass Stirn und Augen überschattet waren; an seinem Arm hing ein großer, mit Eiern gefüllter Korb. Als ich an ihm vorbeistreifte, sagte er leise: »Ein schönes Kind, Mon-na.«
    Ich drehte mich um und wollte lächeln. Und schaute plötzlich in das vertraute Grinsen des kleinen Satans.
    »Ihr«, flüsterte ich.
    Er freute sich, dass ich ihn wiedererkannte. Er beugte sich ins Licht, und ich sah die Belustigung in seinen Augen aufblitzen - nur gemildert von der Angst, mein Mann könnte etwas bemerken. »Heute Abend«, sagte er. »Allein.« Dann drehte er sich um und ging munter weiter.
    Als ich mich zu den anderen gesellte, die sich unterhielten und um Matteo herumscharwenzelten, bevor Francesco zu seiner Arbeit in der bottega zurückkehrte, schaute mein Gemahl mit freundlichem, abwesendem Blick von seinem vermeintlichen Sohn auf. »Wer war das?«, fragte er.
    »Niemand«, sagte ich und stellte mich neben ihn. Die Taufurkunde hielt ich fest in der Hand und vergewisserte mich, dass sie die herausgeschmuggelte Notiz vollkommen verdeckte. »Gar niemand.«
    Von der Notiz sagte ich niemandem etwas - nicht einmal Zalumma. Doch nachdem sie mittags hinuntergegangen war, um mit den anderen Dienern zu essen, und mich mit Matteo auf dem Balkon allein gelassen hatte, entfaltete ich das Stück Papier. Die Sonne stand hoch an einem wolkenlosen Himmel, doch ich konnte nicht länger warten -und sah auch keinen Grund. Matteo lag warm und weich auf mir. Konnte ich es wagen, mich noch weiter in Täuschungen hineinziehen zu lassen?
    Als ich auf das Papier schaute, schnaubte ich verächtlich. Es war leer, absolut leer. Der kleine Satan hatte sich einen Scherz erlaubt - noch dazu einen schlechten. Hätte der Kamin gebrannt, dann hätte ich es ins Feuer geworfen. Ich beherrschte mich aber, strich die Falten glatt und legte es in eine Schublade. Ich wollte es noch als Briefpapier nutzen, da es von guter Qualität war, sauber geschnitten und weiß gebleicht.
    An jenem Abend wurde ich von Matteos Geschrei im fernen Kinderzimmer wach; es verstummte rasch, sobald die Amme aufgestanden war, um ihn zu stillen, doch ich konnte nicht wieder einschlafen. Die Luft war für die Jahreszeit sehr warm; schwitzend lag ich auf dem Bett und warf mich unruhig hin und her,

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