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Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Titel: Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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ihn zukam, hielt er mir den schwarzen Stoff hin; die Falten lösten sich und fielen zu einem Umhang auseinander.
    »Das ist doch albern«, sagte ich mehr zu mir selbst als zu ihm.
    »Ganz und gar nicht«, erwiderte er und hielt mir den
    Umhang auf, wobei sein Blick andauernd zur Kapellentür schoss. »Bald wird es einen Sinn ergeben.«
    Ich ließ mir den Umhang überstreifen, ließ mir die Kapuze ins Gesicht ziehen, sodass meine Kappe und mein Schleier bedeckt, mein Gesicht überschattet war. Der schwarze Baumwollstoff hing tief herab und schleifte über den Boden, sodass er meine Röcke bedeckte.
    »Folgt mir«, sagte er.
    Er führte mich wieder hinaus auf die Straße, in sicherer Entfernung von der Stelle, an der meine Kutsche wartete; der Platz war geschäftig, Männer, Kinder und Verkäufer drängten sich, und niemand achtete auf zwei Mönche. Er steuerte auf einen klapprigen Wagen zu, der an einen Pfosten gebunden und an ein altersschwaches Pferd geschirrt war.
    »Kommt, ich helfe Euch.« Er bedeutete mir, mich in den Wagen zu setzen.
    »Nein.« Plötzlich machte ich mir klar, dass dieser junge Mann es geschafft hatte, wie ein Dieb in mein Haus einzubrechen. Wie konnte ich sicher sein, dass er mich nicht entführen und über die heimlichen Aktivitäten meines Gemahls ausfragen wollte?
    In übertriebener, entrüsteter Unschuld hob er beide Hände. »Dann eben nicht. Kehrt wieder in Euren hübschen Palast zurück. Verschließt die Augen.«
    Er meinte, was er sagte; er war einen Schritt zurückgetreten. Wenn ich wollte, konnte ich ihn stehen lassen und wieder in die Kapelle gehen. Ich könnte quer über den Platz zu meinem Kutscher gehen. »Helft mir hinauf«, sagte ich.
    Er tat es, band dann die Zügel los und stieg neben mir auf. »Zuerst ein paar Vorsichtsmaßnahmen.« Er griff nach einem Stück Stoff auf dem Sitz zwischen uns. Schnell und fest schüttelte er die Falten aus und langte unter meine Kapuze. Seine flinken, behenden Finger schlangen mir den
    Stoff um Augen und Hinterkopf und verknoteten ihn, bevor ich überhaupt begriff, was er da tat.
    Er hatte mir die Augen verbunden. Von Panik ergriffen, hob ich die Hände.
    Er schnalzte mit der Zunge, als wollte er ein Tier beruhigen. »Schhh. Euch wird nichts zustoßen. Das ist zu Eurer Sicherheit, nicht zu meiner.« Ich schauderte, als etwas Weiches meine Wangen streifte, und fuhr erneut zurück, als ich spürte, wie es mir in die Ohren gestopft wurde. Alle Geräusche waren gedämpft - der Lärm der Menge auf der Piazza wurde zu einem unverständlichen Dröhnen -, doch ich hörte den Satan persönlich, der wohl mir zuliebe besonders laut sprach.
    »Schon gut. Wir sind gleich da ...«
    Der Karren setzte sich rumpelnd in Bewegung; ich schwankte und klammerte mich am Rand des Sitzes fest, um das Gleichgewicht zu halten. Wir fuhren ein paar Minuten. Ich bemühte mich nach Kräften, herauszubekommen, wohin wir unterwegs waren, und begriff, warum ich genau zur Mittagszeit hatte kommen sollen. Alle Kirchenglocken hatten bereits geläutet; keine einzige schlug mehr
    - eine jede mit dem ihr eigenen Klang -, um anzuzeigen, in welchem Stadtteil wir uns befanden.
    Schließlich hielt der Wagen an. Die Stimme des kleinen Satans wies mich an, mich nach rechts zu wenden. Ich nahm Bewegungen wahr, spürte Hände, die nach mir griffen; mit ihrer Hilfe kletterte ich blind aus dem Wagen. Er nahm mich am Ellenbogen und drängte mich, schnell zu gehen, ein kurzes Stück nur; ich hob die Röcke aus Angst, zu stolpern. Selbst mit der ungesponnenen Wolle in den Ohren, auch ohne etwas zu sehen, spürte ich die Veränderung, als wir von der sonnengewärmten Luft ins Innere gingen, wo es stickiger und kühler war.
    Finger schlossen sich um meinen Arm und zwangen mich, stehen zu bleiben; mein Führer pfiff leise. Eine Pause, dann ein anderer Flüsterton, leise und gedämpft, durch die Wolle nicht zu verstehen. Ein warmer Körper stand vor mir und drehte sich dann um. Der kleine Satan und ich folgten ihm. Wir gingen ein Stück und stiegen anschließend ein paar Stufen hinauf. Wieder musste ich stehen bleiben; ich hörte schweres Holz knarrend über Stein schleifen, als würde eine Wand beiseite geschoben. Eine leichte Brise regte sich, als eine Tür aufging.
    Kurz wurde ich in gemächlicherem Tempo über einen Boden geführt, auf dem eine dünne Sandschicht lag. Ich war an genügend botteghe von Künstlern vorbeigekommen, um die durchdringenden Gerüche nach kochendem Leinöl und ätzendem

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