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Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Titel: Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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erster Gemahl womöglich noch am Leben war. Dennoch war er herzlich gewesen; er hatte mich sogar gebeten, für ihn Modell zu sitzen.
    »Glaubt mir, wenn ich sage, dass ich Eure Sorgen in Bezug auf Euer Kind verstehe. Ich würde Euch niemals bitten, etwas zu tun, was ihn unmittelbar gefährden würde.« Er schwieg kurz. »Ich war ziemlich überrascht, als ich Euren Brief erhielt«, sagte er leise aus Rücksicht auf meine Tränen. »Ich ... hatte Grund zu der Annahme, dass ihr in der Nacht, in der die Medici-Brüder aus Florenz flohen, verschwunden wärt. Ich kannte Eure Handschrift nicht. Deshalb habe ich nicht geantwortet. Später erfuhr ich dann, dass Ihr Francesco del Giocondo geheiratet habt .«
    »Ich habe den Brief gelesen, den Salai fallen ließ«, unterbrach ich ihn. »Der an meinen Gemahl gerichtet ist. Ich . hatte bis zu jenem Abend keine Ahnung, dass er sich auf Savonarola eingelassen hatte. Ich weiß nicht einmal, wer ihm den Brief geschickt hat.« Ich betrachtete ihn. Er sah mich noch immer mit einer eigenartigen Intensität an; er wollte mir glauben, doch irgendetwas hielt ihn davon ab.
    »Es stimmt«, sagte er eher zu sich als zu mir. »Als Ihr Salai bei der Taufe gesehen habt, hättet Ihr Eurem Gemahl erzählen können, dass Salai den Brief aus seinem Schreibtisch entwendet hat. Aber es sieht so aus, als hättet Ihr es ihm verschwiegen.«
    »Selbstverständlich. Was soll ich denn nun tun? Ihr habt mich doch aus einem bestimmten Grund hierher holen lassen.«
    »Piero de' Medici will mit Euch reden«, sagte er.
    Ich sah ihn mit offenem Mund an, wie vom Donner gerührt. »Piero? Piero ist hier?«
    »Er hat die Absicht, die Stadt wieder einzunehmen. Und er braucht Eure Hilfe. Kann er auf Euch zählen?«
    »Gewiss.«
    Er kam von der Staffelei zu mir. »Gut. Geht in drei Tagen in den Duomo, Punkt zwölf. Er wird Euch dort in der nördlichen Sakristei erwarten.«
    Ich überlegte. »Eine Frau allein in der Sakristei ... Das wird den Verdacht der Priester erregen. Wenn man mich dort warten sehen würde .«
    »Die Priester wissen, was zu tun ist. Sagt ihnen, Gian Giacomo schicke Euch. Sie werden Euch zu einem geheimen Durchgang führen, der nur von der Sakristei aus zugänglich ist.«
    »Warum hat Piero Euch nicht einfach gebeten, mir seine Botschaft zu übermitteln? Warum sollte er riskieren, sich persönlich mit mir zu treffen?«
    »Ich bin nur ein Mittler, Madonna. Ich maße mir nicht an, ihn zu verstehen.«
    Er rief nach Salai und entließ mich dann mit einer Verbeugung. Salai band mir wieder das Tuch um die Augen, und ich wurde auf demselben Weg zur Santissima Annunziata zurückgebracht, auf dem ich hergekommen war.
    Zalumma erwartete mich. Ich hütete mich allein vor dem Versuch, mein Unbehagen zu verbergen; sie roch meine Begegnung mit Leonardo so sicher, als wäre es Rosenöl gewesen. Doch ich hatte bereits beschlossen, zu ihrer eigenen Sicherheit keine Einzelheiten preiszugeben. Bevor ich etwas sagen konnte, raunte sie mir zu, sodass niemand in der Eingangshalle es hören konnte: »Ich weiß, dass Ihr jemanden getroffen habt, und dass es etwas mit dem Brief zu tun haben muss, den der Eindringling gefunden hat. Es steht mir nicht zu, Fragen zu stellen. Aber ich bin da. Ich werde Euch helfen, wo ich kann. Verfügt über mich, wie es Euch beliebt.«
    Ich ergriff ihre Hände und küsste sie, als wäre sie meine Schwester und nicht meine Sklavin. Allerdings sagte ich nichts von Leonardo oder Piero; deren Namen könnten sie den Kopf kosten.
    Und sie könnten mich den Kopf kosten. Ich ging ins Kinderzimmer und saß lange mit Matteo in den Armen da, fuhr mit der Hand über die zarte, verletzliche Haut auf seinem Kopf, über das unwahrscheinlich feine Haar. Ich küsste seine weiche Wange und roch Milch und Seife.
    Die drei Tage vergingen schnell.
    Auf meine ungewöhnliche Bitte, zum Duomo gefahren zu werden, hob Claudio eine Augenbraue. Ich ließ sie so beiläufig fallen, als wäre es eine Laune, als wären seit meinem ersten und letzten Besuch dort nicht schon Jahre vergangen.
    Kurz vor Mittag, als die Glocken ohrenbetäubend läuteten, schritt ich unter der unvorstellbar massiven Kuppel her und kniete in der Nähe des Hochaltars nieder, der aus dunklem Holz geschnitzt und mit Gold eingefasst war.
    Ich betete stumm mit den anderen, mühsam nach Worten suchend, die ich seit meiner Kindheit kannte; an den dafür vorgesehenen Stellen kniete ich nieder, stand auf und bekreuzigte mich. Die Teilnahme am Gebet war

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