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Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Titel: Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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bückte mich, um die blassbraunen Buchstaben zu lesen, sowie sie auftauchten.
    Verzeiht. Morgen, wenn Ihr mittags zum Beten geht, wird Gott es erklären.
    Ich warf das Papier ins Feuer und sah zu, wie es verbrannte.
    Zalumma sagte ich nichts. Am nächsten Tag suchte ich zur Mittagsstunde die Kapelle Santissima Annunziata auf, um zu beten.
    Als Salai, Satan und Mönch in einer Person, diesmal zu mir trat, funkelte ich ihn wütend an. Sobald wir im Wagen saßen, band er mir das Tuch um die Augen und flüsterte: »Es ist wirklich nur zu Eurem Schutz, Madonna.« Ich sagte nichts. Als die Augenbinde schließlich gelockert wurde, saß ich vor Leonardo und schaute ihn an, ohne zu lächeln.
    Seine Stimme und sein Verhalten waren gedämpft und mitfühlend. »Verzeiht, Madonna Lisa«, sagte er. Er stand, schlank und groß in der weiten Mönchskutte, vor dem mit Papier bedeckten Fenster. Die Bartstoppeln fehlten; er hatte sich frisch rasiert, und auf seiner wie in Stein gemeißelten Wange war die rote Einkerbung des Rasiermessers zu sehen. Die Staffelei war leer; die Holzplatte mit der Zeichnung lag nun, mit einer Schicht Ruß bedeckt, auf dem langen Tisch. »Es war eine grausame List, aber unsere Lage ist ungewöhnlich gefährlich.«
    »Ihr habt mich angelogen. Piero war nicht im Duomo.« Ich schaute ihn mit kalter Wut an.
    »Nein. Er war nicht dort.« Er kam auf mich zu und blieb eine Armlänge entfernt vor mir stehen; in seinen blassen Augen lag ehrliches Mitgefühl. »Glaubt mir, es hat mir nicht gefallen, so unfreundlich zu sein. Aber ich musste Euch prüfen.«
    »Warum? Warum wollt Ihr mir nicht vertrauen?«
    »Weil Ihr mit einem großen Feind der Medici verheiratet seid. Und weil ich Euch nicht gut kenne, obwohl ich Euch schon so lange kenne. Und ... außerdem kann ich meinem eigenen Urteil über Euch nicht vertrauen. Ich bin . nicht ohne Interesse.«
    Ich schnaubte verächtlich. »Bitte. Glaubt nicht, Ihr könnt mich zum Narren halten, wenn Ihr Gefühle für mich vortäuscht. Ich weiß, Ihr könnt mich niemals lieben -nicht so. Ich weiß, wessen man Euch beschuldigt hat. Ich weiß über Euch und Salai Bescheid.«
    Schlagartig riss er die Augen auf, funkelnd vor Wut, um sie gleich darauf wieder zusammenzukneifen. »Ihr wisst ...« Er fing sich wieder; ich sah, wie er die Fäuste ballte und langsam entspannte. »Ihr meint Saltarelli.« Seiner Stimme war anzuhören, dass er aufgewühlt war.
    »Wen?«
    »Iacopo Saltarelli. Als ich vierundzwanzig war, hat man mich wegen Sodomie angeklagt - ein einfaches Wort, das Euch anscheinend nicht über die Lippen kommt. Da Ihr Euch so sehr für Besonderheiten interessiert, sollt Ihr sie haben. Offiziere der Nacht nahmen mich fest und brachten mich in den Bargello, wo ich erfuhr, dass ich Opfer einer anonymen denuncia geworden war. Angeblich hatte ich mich mit zwei anderen Männern - Bartolomeo de' Pasquino, ein Goldschmied, und Lionardo de' Tornabuoni - auf diverse sexuelle Praktiken mit Iacopo Saltarelli eingelassen. Saltarelli war gerade erst siebzehn. Er war lasterhaft, das stimmt, und hat die Anklage wahrscheinlich verdient -aber er war auch Lehrling bei seinem Bruder, einem ungeheuer erfolgreichen Goldschmied auf der Via Vacchereccia. Pasquino besaß in derselben Straße auch eine bottega, und ich habe die beiden Läden häufiger aufgesucht, weil ich von ihnen als Maler eingestellt wurde.
    Ich bin mir sicher, Ihr habt von diesen unseligen Geschäftsleuten gehört, die sich ihrer Rivalen durch eine gut platzierte denuncia entledigen?«
    »Ich habe davon gehört«, sagte ich, nicht gerade freundlich.
    »Von Ladenbesitzern in derselben Straße weiß ich, dass ein gewisser Paolo Sogliano meine denuncia geschrieben hat. Er war zufällig Maler und Gehilfe eines Goldschmieds namens Antonio del Pollaiuolo auf der Via Vacchereccia. Die Anklage wurde mangels Beweisen fallen gelassen, obwohl viele potenzielle Zeugen befragt wurden. Ein paar Jahre danach saß Sogliano auf der Straße.«
    »Dann stimmte das alles nicht.« Ich schaute auf meine Hände.
    »Nein, es war nichts Wahres daran. Ich bitte Euch zu überlegen, wie Ihr Euch in meiner Lage gefühlt hättet. Wie es Euch gegangen wäre, hätte man Euch mitten in der Nacht aus dem Bett geholt und zum Verhör in den Kerker gebracht. Wie Euch zumute gewesen wäre, wenn Ihr es Eurem Vater gesagt hättet. Wie Ihr empfunden hättet, wenn Ihr Euch auf Eure Verbindungen zu Lorenzo de' Medici hättet verlassen und ihn um Hilfe hättet angehen

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