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Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Titel: Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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zu einem hellen Rötlichbraun. Das Mineral wird oft gewaschen, dann mehrfach gemahlen, bis es leuchtend und rein ist. Dann wird es mit Leinöl aufgearbeitet - oder mit Wasser, wenn man das lieber will - und getrocknet. Dieses besondere Schwarz hier ist kein roter Ocker, sondern besteht aus verbrannten Mandelschalen, was eine sehr schöne, gut zu verarbeitende Farbe ergibt.«
    »Und das hier? Ist das roter Ocker?« Ich zeigte auf ein blassrotes Kügelchen.
    »Das cinabrese? Es ist eine Mischung aus Kalkweiß und einer ganz leichten Schattierung von rotem Ocker. Um Haut zu malen. Wenn ich anfange, zerstoße ich eine Bohne mit Leinöl, so viel ich eben davon brauche.« Er hielt inne und betrachtete mich mit eigenartig neugierigem, verlegenem Blick. »Ich weiß, wir müssen über vieles reden, Madonna. Doch ich hatte gehofft ...« Er reichte mir einen Weinkelch. Ich war so nervös, dass ich ihn nicht wollte, nahm ihn aber dennoch aus Höflichkeit an und trank einen
    Schluck, damit er auch etwas trinken konnte. Er nahm einen symbolischen Schluck und stellte den Kelch ab. »Ich hatte gehofft, wir könnten uns etwas entspannen, bevor wir uns schwierigen Themen zuwenden. Und ich hatte gehofft, Ihr wärt damit einverstanden, mir heute Modell zu sitzen, wenn auch nur kurz.«
    »Modell für Euch?«
    »Für Euer Porträt.«
    Ich lachte ungläubig auf. »Was hätte das für einen Sinn?«, fragte ich herausfordernd. »Lorenzo ist tot. Und Giuliano ...« Ich beendete den Satz nicht.
    »Ich würde die Arbeit trotzdem gern zu Ende führen.«
    »Das macht Ihr doch aus einem anderen Grund als aus Pflichtgefühl gegenüber Toten.«
    Er antwortete nicht gleich, sondern drehte sich zum blinden Fenster um, wobei seine Gesichtszüge und sein Haar in den buttergelben Schimmer eintauchten. Seine Augen waren klar wie Glas, beinahe farblos, von Licht erfüllt. »Ich habe Eure Mutter gesehen«, sagte er.
    Er sprach so leise, dass ich mir nicht sicher war, ob ich richtig gehört hatte. Mit einem Ruck hob ich den Kopf. »Was soll das heißen? Habt Ihr meine Mutter gekannt?«
    »Ich war mit ihr bekannt. Sie und Euer . ihr Gemahl, Ser Antonio, waren damals häufig zu Gast im Palazzo Me
    dici. Bevor sie gebrechlich wurde. Ser Antonio bin ich nie vorgestellt worden - er war ziemlich zurückhaltend und blieb oft draußen im Garten oder redete mit den Stallburschen. Aber ich habe bei Banketten zweimal neben Eurer Mutter gesessen. Und bei Karnevalsfeiern habe ich oft mit ihr gesprochen. Sie hatte ein gutes Auge für Kunst, so wie Ihr. Sie wusste sie zu schätzen und verstand sie.«
    »Ja.« Ich brachte nur ein Flüstern zustande. »Sie war also oft im Palazzo Medici?«
    Er nickte bedächtig. »Lorenzo war ihr sehr zugetan - als
    Freund. Er zeigte ihr natürlich seine Sammlung. Er hatte großen Respekt vor ihrer Meinung. Ihre Familie war immer mit den Tornabuoni befreundet gewesen - der Familie von Lorenzos Mutter - und so lernten sie sich kennen. Über Lorenzo hat sie natürlich Giuliano kennengelernt.«
    »War sie - wussten alle, dass sie eine Affäre mit ihm hatte?«
    Er schlug die Augen nieder. »Nein, Madonna. Eure Mutter war eine sehr tugendhafte Frau. Ich glaube, ehrlich gesagt, nicht, dass sie mit Giuliano .« Er verstummte und wurde zu meiner Überraschung rot.
    »Ihr glaubt nicht, dass sie ... zusammen waren ... bis?«, forschte ich weiter. Ich wollte ihn nicht in Verlegenheit bringen, doch ich hatte jahrelang gewartet, um die Wahrheit über das Leben meiner Mutter zu erfahren.
    Er schaute auf, wich meinem Blick aber aus. »An dem Abend, bevor Giuliano ermordet wurde - sah ich sie auf der Via de' Gori direkt vor dem Palazzo Medici. Sie wollte ihn treffen; sie strahlte vor Freude, sie war überglücklich. Und ... das Licht war sehr zart, sehr sanft. Es war in der Dämmerung, und ich trat aus dem Schatten . « Seine Stimme verlor sich; er war überwältigt von dem Versuch, mir zu vermitteln, was er gesehen hatte, etwas Überirdisches und Flüchtiges. »Es gab keine festen Konturen, keine klare Trennlinie zwischen ihrer Haut und der sie umgebenden Luft. Sie tauchte aus dem Dunkeln auf, war aber nicht davon zu unterscheiden, nicht getrennt von dem Himmel oder der Straße oder den Gebäuden. Es hatte den Anschein ... als wäre sie außerhalb der Zeit. Es war ein erstaunlicher Moment. Sie sah aus, als wäre sie mehr als eine Frau. Sie war eine Madonna, ein Engel. Das Licht war . bemerkenswert.« Er hielt inne; sein Tonfall wurde sachlicher. »Verzeiht

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