Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis
kannte mich gut. Aber er wusste nicht alles.
Elena ging an meinen Schrank und holte das Hochzeitskleid aus tiefblauem Samt hervor, sowie mein bestes Hemd. »Ser Francesco sagt, Ihr sollt heute besonders schön aussehen.« Das war es also, ich sollte einen schönen Lockvogel abgeben.
Ich sagte nichts, als sie mir das Kleid zuband; diesmal trug ich den Brokatgürtel weiter unten, sodass ich ihn mit einer raschen Handbewegung gut erreichen konnte.
Ich schwieg auch, als Elena mir das Haar ausbürstete. Doch als sie begann, es mit großer Sorgfalt in das funkelnde Haarnetz zu legen, sagte ich: »Du wirst mir also nicht bei Matteo helfen.«
Ich sah ihr Gesicht im Handspiegel; es war ebenso betroffen wie ihre Stimme. »Ich traue mich nicht. Bedenkt, was mit Zalumma passiert ist .«
»Ja«, sagte ich hart. »Ich weiß nur zu gut, was mit Za-lumma passiert ist. Meinst du nicht, dasselbe wird auch mir und meinem Sohn zustoßen?«
Beschämt senkte sie den Blick und wollte mich danach nicht mehr ansehen oder mit mir reden. Als sie ihre Arbeit beendet hatte und ich ausgehbereit war, ging sie zur Tür und wollte sie schon öffnen.
»Halt«, sagte ich, und sie zögerte. »Es gibt da eine Kleinigkeit, die du für mich tun kannst. Ich brauche einen Augenblick. Nur einen Moment allein, um mich zu sammeln.«
Zaudernd sah sie mich an. »Ich darf Euch nicht allein lassen, Madonna. Ser Francesco hat besonders betont .«
»Dann lass mich nicht allein«, sagte ich rasch. »Ich habe meinen Schal draußen auf dem Balkon liegen lassen. Würdest du ihn mir bitte holen?«
Sie wusste Bescheid. Sie seufzte leicht und nickte, gab sich geschlagen und ging langsam auf den Balkon, wobei sie darauf achtete, dass sie mir die ganze Zeit den Rücken zukehrte.
Meine Bewegungen waren schneller und leiser, als ich es je für möglich gehalten hätte. Ich zog das Stilett meines Vaters aus den Federn der Matratze und ließ ihn in meinen Gürtel gleiten.
Elena kam langsam vom Balkon zurück. »Euer Schal ist nicht da«, sagte sie.
»Danke, dass du nachgesehen hast«, antwortete ich.
Der Soldat, der Zalumma getötet hatte - ein feindseliger junger Mann mit tiefen Narben auf den Wangen -, führte mich zur Kutsche, in der Francesco und Salvatore de' Pazzi bereits warteten. Francesco hatte sein bestes Priorengewand angelegt; zum ersten Mal, seit ich ihn kannte, hatte er ein langes Messer am Gürtel. Salvatore trug einen lucco aus mattem Dunkelgrün - genau die Art von eleganter, aber schlichter Tunika, die Lorenzo de' Medici gewählt hätte. Auch Salvatore war mit einem Schwert an der Hüfte bewaffnet.
»Schön, sehr schön«, murmelte Salvatore, als er mich sah. Er beugte sich vor, wobei er sich in der niedrigen Kutsche bücken musste, und bot mir eine Hand, um mir hinaufzuhelfen; ich lehnte ab und schüttelte den Griff des Soldaten hinter mir ab. Ich packte den Rand der Tür und zog mich und mein schweres Gewand mit dem langen Schleier in die Kutsche.
»Ist sie nicht hübsch anzusehen?«, bemerkte Francesco mit Stolz, als hätte er mich eigenhändig erschaffen.
»Wohl wahr.« Salvatore schenkte uns ein überhebliches Lächeln.
Ich setzte mich neben den Soldaten. Claudio fuhr uns; eine zweite Kutsche folgte, und ich beugte mich aus dem Fenster, um zu sehen, wer darin saß. Ich nahm nur schemenhafte Umrisse wahr.
»Setz dich richtig hin, Lisa«, sagte Francesco scharf, so-dass ich mich umdrehte und ihn ansah, während wir durch das Tor auf die Straße rollten. »Du solltest nicht so neugierig sein. Du wirst noch schnell genug mehr erfahren, als dir lieb ist.« Seine Augen strahlten heiter und energiegeladen. Ich sah ihn fest an und spürte den Druck des Stiletts gegen meinen Körper.
Der Tag war warm - zu warm für ein schweres Samtkleid, trotzdem fröstelte ich und fühlte mich taub -, und in der Luft hing noch der Rauchgeruch vom Feuer tags zuvor. Das Licht war zu grell, die Farben zu leuchtend. Das Blau meines Ärmels schmerzte mir in den Augen, sodass ich blinzelte.
Auf der Piazza del Duomo waren nicht viele Menschen unterwegs; ich vermutete, dass in San Marco an jenem Morgen noch weniger wären. Flankiert von Francesco und
Salvatore, gefolgt von meinem Soldaten, ging ich an der achteckigen Taufkapelle des heiligen Johannes vorbei, in der ich geheiratet hatte und in der mein Sohn getauft worden war. Francesco nahm meinen Arm und dirigierte mich geradeaus, sodass ich nicht sehen konnte, wer aus der Kutsche hinter uns ausstieg.
Im Duomo war
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