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Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Titel: Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Gesichtszüge, doch sie fing sich sogleich wieder und sagte ruhig, als wäre es das Normalste auf der Welt: »Legt Euch hin, Madonna. Hier, auf den Boden. Alles wird gut.«
    »Alles wiederholt sich«, sagte meine Mutter mit jenem eigenartigen Klang in ihrer Stimme, den ich zu fürchten gelernt hatte.
    »Legt Euch hin!«, befahl Zalumma, so streng, als redete sie mit einem Kind. Meine Mutter schien sie nicht zu hören, und als Zalumma versuchte, sie zu Boden zu drücken, leistete sie Widerstand.
    »Alles wiederholt sich«, stieß meine Mutter hastig hervor, fieberhaft. »Siehst du nicht, wie es wieder passiert? Hier, an diesem geheiligten Ort.«
    Ich lehnte mich auf Zalumma; gemeinsam bemühten wir uns, meine Mutter auf den Boden zu drücken, doch es war, als versuchte man, einen unbeweglichen Berg niederzuringen - einen, der noch dazu zitterte.
    Die Arme meiner Mutter schossen unkontrolliert nach vorn, starr. Ihre Beine versteiften sich. »Hier liegt Mord in der Luft, mörderische Gedanken!«, kreischte sie. »Noch einmal Verschwörungen in Verschwörungen!«
    Als sie zu Boden ging, wurden ihre Schreie unverständlich.
    Zalumma und ich klammerten uns an sie, sodass sie nicht allzu hart aufschlug.
    Meine Mutter wand sich auf dem kalten Boden der Kathedrale, ihr blauer Umhang ging auf, die silbernen Röcke breiteten sich um sie herum aus. Zalumma lag quer über ihr; ich klemmte mein Taschentuch zwischen die obere
    Zahnreihe und die Zunge meiner Mutter und hielt ihr dann den Kopf fest.
    Geschafft - wenn auch knapp. Meine Mutter rollte die dunklen Augen, bis nur noch das geäderte Weiß zu sehen war - dann fing sie an zu zucken. Kopf, Körper, Gliedmaßen - alles an ihr zuckte, unregelmäßig und in rascher Folge.
    Zalumma gelang es irgendwie, ihre Position beizubehalten. Sie hob und senkte sich mit den wellenartigen Kontraktionen, flüsterte heiser in ihrer barbarischen Sprache, eigenartige Worte, die so schnell und geübt kamen, dass ich wusste, sie waren Teil eines Gebets. Auch ich begann, ohne darüber nachzudenken, in einer ähnlich alten Sprache zu beten: Ave Maria, Mater Dei, ora pro nobis peccatori-bus, nunc et in hora mortis nostrae ...
    Ich konzentrierte mich auf das leinene Taschentuch im Mund meiner Mutter - auf ihre knirschenden Zähne und die kleinen Blutflecken dort - und auf ihren zuckenden Kopf, den ich jetzt in meinem Schoß festhielt. Ich war davon so vereinnahmt, dass ich ängstlich zusammenfuhr, als ein Fremder neben uns laut zu beten begann, ebenfalls auf Latein.
    Ich schaute auf und erblickte den schwarz berockten Priester, der sich um den Altar gekümmert hatte. Er besprengte meine Mutter abwechselnd mit Flüssigkeit aus einer kleinen Phiole oder schlug das Kreuzzeichen über sie, während er betete.
    Endlich war es so weit, dass meine Mutter abschließend noch einmal aufstöhnte und dann erschlaffte; ihre Augenlider schlossen sich flatternd.
    Der Priester neben mir - ein junger, rothaariger Mann mit pockennarbiger, geröteter Haut - erhob sich. »Sie ist wie die Frau, der Jesus Christus neun Teufel ausgetrieben hat«, sagte er streng. »Sie ist besessen.«
    Gereizt und noch schwankend von der Anstrengung, erhob sich Zalumma zu ihrer vollen Größe - eine Handbreit größer als der Priester - und funkelte ihn böse an. »Es ist eine Krankheit«, sagte sie, »von der Ihr keine Ahnung habt.«
    Der junge Priester krümmte sich, sein Tonfall war nur noch halb so eindringlich. »Es ist der Teufel.«
    Ich schaute vom Gesicht des Priesters auf Zalummas ernste Miene. Frühreif, wie ich war, wusste ich, was Verantwortung heißt: die zunehmenden Anfälle meiner Mutter hatten mich oft veranlasst, als Dame des Hauses aufzutreten, die Gastgeberin zu spielen und meinen Vater an ihrer statt zu gesellschaftlichen Anlässen zu begleiten. In den vergangenen drei Jahren war ich anstelle meiner Mutter mit Zalumma auf den Markt gegangen. Was hingegen die Kenntnisse über Gott und die Welt betraf, war ich noch jung. Ich war noch unentschlossen, ob Gott sie für eine frühere Sünde bestrafte oder ob ihre Anfälle tatsächlich düsteren Usprungs waren. Ich wusste nur, dass ich sie liebte, dass sie mir leidtat und dass mir das gönnerhafte Verhalten des Priesters missfiel.
    Zalummas weiße Wangen färbten sich perlmuttrosa. Ich kannte sie gut: Eine sarkastische Antwort war ihr in den Sinn gekommen und hatte ihr schon auf der Zunge gelegen, doch sie hatte sie hinuntergeschluckt. Sie brauchte den Priester noch.
    Ihr

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