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Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Titel: Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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was geschehen war, und ich war bereit, mich einer wohlverdienten Strafpredigt zu stellen. Meine Mutter hatte mich in die Stadt mitgenommen, weil sie so viel Freude an mir hatte, dass sie mir wie-derum eine Freude bereiten und mir die Schätze der Stadt zeigen wollte. Meinen Vater konnte man damit nicht behelligen; für den Duomo hatte er nur Verachtung übrig, nannte ihn »schlecht angelegt« und sagte, unsere Kirche in Santo Spirito sei völlig ausreichend für uns.
    Mein Vater trug also meine Mutter hinauf in ihr Bett. Ich klappte die Fensterläden zu, um die Sonne auszuschließen, und half danach Zalumma, meine Mutter bis auf ihre camicia aus bestickter weißer Seide auszuziehen, die so fein und zart war, dass man sie kaum als Tuch bezeichnen konnte. Sobald wir damit fertig waren und Zalumma sicher sein konnte, dass meine Mutter bequem ruhte, traten wir in ihr Vorzimmer und zogen leise die Tür hinter uns zu.
    Mein Vater wartete schon auf uns. Er hatte die Arme wieder vor der Brust verschränkt, seine leicht sommersprossigen Wangen waren gerötet; unter seinem Blick wäre noch die frischeste Rose verdorrt.
    Zalumma duckte sich nicht vor ihm. Sie schaute ihm direkt in die Augen, ihr Verhalten war höflich, doch nicht unterwürfig. Sie wartete darauf, dass er das Wort ergriff.
    Seine Stimme war leise, zitterte allerdings leicht. »Du wusstest genau, welche Gefahr das für sie bedeutete. Du hast es gewusst und dennoch zugelassen, dass sie das Haus verließ. Was hat das mit Loyalität zu tun? Was sollen wir nur machen, wenn sie stirbt?«
    Zalummas Tonfall war ganz ruhig, ihr Verhalten respektvoll. »Sie wird nicht sterben, Ser Antonio; der Anfall ist vorbei, und sie schläft. Aber Ihr habt recht; es ist mein Fehler. Ohne meine Hilfe hätte sie nicht gehen können.«
    »Ich werde dich verkaufen!« Mein Vater wurde lauter. »Dich verkaufen und eine Sklavin mit mehr Verantwortungsgefühl kaufen!«
    Zalumma schlug die Augen nieder; sie biss die Zähne zusammen, darum bemüht, Worte zurückzuhalten, die ich mir gut vorstellen konnte. Ich bin die Sklavin der Herrin aus dem Haushalt ihres Vaters; ich gehörte ihr schon, bevor wir jemals ein Auge auf Euch warfen, und nur sie darf mich verkaufen. Doch sie sagte nichts. Wir alle wussten, dass mein Vater meine Mutter liebte, und meine Mutter liebte Zalumma. Er würde die Sklavin nie verkaufen.
    »Geh«, sagte mein Vater. »Geh nach unten.«
    Zalumma zögerte einen Moment; sie wollte meine Mutter nicht allein lassen, aber der Herr hatte gesprochen. Sie ging an uns vorbei, die Röcke schleiften über den Steinboden. Mein Vater und ich waren allein.
    Ich hob das Kinn, instinktiv trotzig. Ich war so geboren; mein Vater und ich standen uns in nichts nach, was das Temperament betraf.
    »Du hast dahintergesteckt«, sagte er; seine Wangen röteten sich noch mehr. »Du mit deinen Ideen. Deine Mutter hat sich darauf eingelassen, um dir eine Freude zu machen.«
    »Ja, ich habe dahintergesteckt.« Meine Stimme bebte, was mich ärgerte; es kostete mich einige Mühe, wieder kontrolliert und ruhig zu klingen. »Mutter hat es gemacht, um mir einen Gefallen zu tun. Glaubst du denn, ich bin froh, dass sie einen Anfall hatte? Sie war vorher schon außer Haus, ohne dass etwas passiert wäre. Meinst du denn, es sei meine Absicht gewesen, dass das geschieht?«
    Er schüttelte den Kopf. »Ein so junges Mädchen, von derart schamloser Respektlosigkeit. Hör gut zu: Du wirst die ganze Woche zu Hause bleiben und deiner Mutter nicht von der Seite weichen. Du darfst weder die Messe noch den Markt besuchen. Du weißt nicht, wie ernsthaft dieses Vergehen ist? Du weißt nicht, wie entsetzt ich war, als ich nach Hause kam und feststellte, dass sie fort war? Schämst du dich denn gar nicht, mit deiner Selbstsucht deine Mutter derart zu verletzen? Oder ist dir ihr Leben einerlei?«
    Seine Stimme war immer lauter geworden, sodass er am Ende schrie.
    »Natürlich ...«, hob ich an und verstummte dann, als sich die Zimmertür öffnete und meine Mutter im Türrahmen stand.
    Mein Vater und ich schraken zusammen und drehten uns zu ihr um. Sie sah aus wie ein Gespenst, klammerte sich an den Türknauf, um das Gleichgewicht zu halten; die Augenlider waren vor Erschöpfung schwer. Zalumma hatte ihr das Haar gelöst, sodass es dunkel über Schultern und Busen bis auf die Taille fiel; sie trug nichts außer der sich bauschenden camicia mit den langen Puffärmeln.
    Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern, die

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