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Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Titel: Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Sie geriet ins Stocken; nach einer kurzen Pause redete sie in ruhigem Ton weiter. »Zu weit. Er stürzte.«
    Entsetzt richtete ich mich in meinem Stuhl auf. »Ist er gestorben?«
    »Wir glaubten, er würde sterben; er hatte einen Schädelbruch, es blutete entsetzlich, meine ganze Schürze war voller Blut. Als er sich auskuriert hatte und wieder laufen konnte, gingen wir nach draußen zum Spielen. Wir waren noch nicht weit gegangen, da fiel er zu Boden und begann zu zucken, so wie Eure Mutter es tut. Danach konnte er eine Zeitlang nicht sprechen und schlief. Dann ging es ihm wieder besser, bis es erneut passierte.«
    »Genau wie bei Mutter. Haben die Anfälle . haben sie je ... Ist er .?«
    »Ob die Anfälle ihn umgebracht haben? Nein. Ich weiß nicht, was aus ihm geworden ist, nachdem wir getrennt wurden.« Zalumma betrachtete mich und versuchte einzuschätzen, ob ich begriffen hatte, was sie mir mit ihrer Erzählung sagen wollte. »Mein Bruder hatte nie Anfälle, bevor er sich den Kopf verletzte. Die Anfälle traten erst nach seiner Verletzung auf. Sie waren die Folge seiner Verletzung.«
    »Mutter hat sich also . den Kopf angeschlagen?«
    Zalumma wandte den Blick ein wenig ab - vielleicht erzählte sie ja nur eine Geschichte, die darauf abzielte, mich zu beruhigen - aber sie nickte. »Ich glaube. Nun ... Meint Ihr denn, Gott hat einen kleinen Jungen von einem Baum gestoßen, um ihn für seine Sünden zu bestrafen? Oder glaubt Ihr, er war so feige, dass der Teufel ihn in Besitz nahm und dazu brachte, zu springen?«
    »Nein, natürlich nicht.«
    »Es gibt Menschen, die nicht Eurer Meinung wären. Aber ich kenne das Herz meines Bruders, und ich kenne das Eurer Mutter; und ich weiß, Gott wäre niemals so grausam, und er würde nie zulassen, dass der Teufel in so liebe Seelen einzieht.«
    Als Zalumma diese Worte aussprach, verschwanden meine Zweifel. Egal, was Evangelia oder der Priester gesagt hatten, war meine Mutter nicht von Dämonen besessen. Täglich besuchte sie die Messe in unserer privaten Kapelle; sie betete ständig und hatte einen Schrein für die Jungfrau unter den Blumen - die Lilie, Symbol für die Auferstehung und für die Stadt Florenz - in ihrem Zimmer. Sie war großzügig zu den Armen und führte keine üble Nachrede. Diese Erkenntnis verschaffte mir große Erleichterung.
    Etwas jedoch bereitete mir noch immer Kopfzerbrechen.
    Hier gibt es Mord und mörderische Gedanken. Wieder Verschwörungen in Verschwörungen.
    Ich konnte nicht vergessen, was der Astrologe mir zwei Jahre zuvor gesagt hatte: Ich sei umgeben von Täuschung und dazu verdammt, eine blutige Tat zu vollenden, die andere begonnen hatten.
    Alles wiederholt sich.
    »Die merkwürdigen Dinge, die Mutter geschrien hat«, sagte ich. »Hat dein Bruder das auch gemacht?«
    Zalummas Gesichtszüge, fein wie Porzellan, spiegelten ihr Zögern wider. Am Ende entschied sie sich für die Wahrheit. »Nein. Sie redete über solche Sachen, schon bevor sie die Anfälle hatte, seit ihrer Kindheit. Sie . sie sieht und weiß Dinge, die uns anderen verborgen sind. Vieles, was sie gesagt hat, ist auch eingetreten. Ich glaube, Gott hat sie berührt, ihr ein Geschenk mitgegeben.«
    Mord und mörderische Gedanken. Diesmal wollte ich nicht glauben, was Zalumma sagte, und zog daher für mich den Schluss, dass sie in diesem Fall abergläubisch war. »Danke«, sagte ich ihr. »Ich werde mir merken, was du gesagt hast.«
    Sie lächelte, beugte sich vor und legte mir einen Arm um die Schultern. »Schluss mit der Nachtwache, jetzt bin ich an der Reihe. Geht und holt Euch was zu essen.«
    Verunsichert schaute ich an ihr vorbei auf meine Mutter. Noch immer fühlte ich mich für das, was an jenem Morgen geschehen war, verantwortlich.
    »Geht«, sagte Zalumma in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete. »Ich setze mich jetzt zu ihr.«
    Ich erhob mich also und ließ die beiden allein. Statt mich aber auf die Suche nach der Köchin zu begeben, ging ich die Treppe hinunter, in der Absicht zu beten. Ich schlenderte in den hinteren Innenhof und in den Garten. Direkt im Anschluss daran stand als kleines, getrenntes Gebäude unsere Kapelle. Die Nacht war bitterkalt, der Himmel bewölkt und mondlos, und ich hielt eine Lampe in der Hand, damit ich nicht über meine Röcke oder einen Stein stolperte.
    Ich öffnete die schwere Holztür der Kapelle und schlüpfte hinein. Der Innenraum war dunkel und unheimlich, erhellt nur von den Votivkerzen, die vor kleinen Gemälden der

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