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Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Titel: Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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ankündigten, die Luft war kalt, und die Feuchtigkeit drang bis auf die
    Knochen - ein typischer Wintertag in Florenz. Das Feuer im Kamin aber füllte den Raum mit Wärme und tauchte ihn in ein orangefarbenes Licht, das dem bleichen Gesicht meiner Mutter einen attraktiven Schimmer verlieh und sich in Picos goldblondem Haar brach.
    Was mich an Ser Giovanni, wie er genannt werden wollte, am meisten beeindruckte, war seine Wärme und der fehlende Dünkel. Er redete mit meinen Eltern - und verblüffenderweise auch mit mir -, als wären wir ihm ebenbürtig und er wäre uns dankbar für die Freundlichkeit, ihn empfangen zu haben.
    Ich nahm an, er sei aus rein gesellschaftlichen Gründen gekommen. Als enger Freund Lorenzo de' Medicis war Ser Giovanni meinem Vater schon des Öfteren begegnet, wenn er kam, um seine Wollstoffe zu verkaufen. Demzufolge begann die eigentliche Unterhaltung mit einer Erörterung über il Magnificos Gesundheit. Sie war neuerdings angeschlagen. Wie sein Vater Piero, il Gottoso, litt Lorenzo schwer an Gicht. Seine Schmerzen waren seit kurzem so heftig, dass er nicht mehr in der Lage war, aufzustehen oder gar Besucher zu empfangen.
    »Ich bete für ihn.« Ser Giovanni seufzte. »Es fällt schwer, sein Leid mit anzusehen. Doch ich glaube, er wird sich erholen. Er schöpft Kraft aus seinen drei Söhnen, vor allem dem Jüngsten, Giuliano, der jede Minute, die er von seinem Studium abzweigen kann, an der Seite seines Vaters verbringt. Es ist beflügelnd, eine solche Hingabe bei einem so jungen Menschen zu erleben.«
    »Wie ich hörte, ist Lorenzo noch immer entschlossen, für seinen zweiten Sohn einen Kardinalshut zu erlangen«, sagte mein Vater mit einer Spur Missbilligung. Unablässig strich er sich mit dem Handballen und dem Daumenknöchel über das bärtige Kinn, eine Angewohnheit, der er für gewöhnlich nur nachgab, wenn er nervös war.
    »Giovanni, ja.« Pico ließ ein kurzes, mattes Lächeln aufblitzen. »Mein Namensvetter.«
    Ich hatte beide Söhne gesehen. Giuliano war von schlankem Wuchs und hatte ein hübsches Gesicht, Giovanni hingegen sah aus wie eine Knackwurst auf dürren Beinen. Der älteste Bruder Piero kam auf seine Mutter hinaus und wurde zum Nachfolger seines Vaters erzogen -obgleich er Gerüchten zufolge ein Dummkopf und gänzlich ungeeignet war.
    Pico zögerte, bevor er fortfuhr; sein Gebaren zeugte davon, dass er hin- und hergerissen war. »Ja, Lorenzo hängt sehr an dieser Idee ... obwohl Giovanni natürlich viel zu jung dafür ist. Damit wäre eine Beugung des Kirchenrechts erforderlich.«
    »Lorenzo ist hinlänglich begabt, wenn es darum geht, etwas zu beugen«, warf mein Vater lässig ein. Selbst ich hatte über dieses spezielle Thema genug mitbekommen, um die Empörung zu kennen, die es bei den meisten Florentinern auslöste; Lorenzo hatte darauf hingearbeitet, Steuern zu erheben, um Giovannis Kardinalswürde zu erkaufen. Die Laune meines Vaters schlug abrupt ins Witzige um. »Erzählt Madonna Lucrezia, was er über seine Söhne geäußert hat.«
    »Ah.« Pico senkte den Kopf, während er die Mundwinkel leicht nach unten zog. »Ihr müsst wissen, dass er es ihnen natürlich nicht direkt auf den Kopf zugesagt hat. Er liebt sie so abgöttisch, dass er sich ihnen gegenüber nie unfreundlich geben würde.« Schließlich schaute er meiner Mutter direkt in die Augen. »So wie es Euch offenbar mit Eurer Tochter geht, Madonna.«
    Ich begriff nicht, warum meine Mutter errötete. Bis zu diesem Zeitpunkt war sie ungewöhnlich still gewesen, obwohl sie von dem charmanten Grafen nicht minder angetan war als alle anderen.
    Pico schien ihre Unbehaglichkeit nicht aufzufallen. »Lo-renzo sagt immer: >Mein Ältester ist dumm, der Zweite klug und der Jüngste gut.<«
    Meine Mutter lächelte angespannt. Sie nickte und sagte dann: »Ich freue mich, dass der junge Giuliano seinem Vater ein Trost ist. Das mit Lorenzos Krankheit tut mir leid.«
    Pico seufzte erneut, diesmal ein wenig niedergeschlagen. »Es fällt schwer, mit anzusehen, Madonna. Besonders, da ich - wie Euer Gemahl Euch bestimmt erzählt hat - ein Anhänger Fra Girolamos bin.«
    »Savonarola«, sagte meine Mutter leise, und ihre Haltung versteifte sich bei der bloßen Erwähnung des Namens. Mit einem Mal verstand ich auch ihre Zurückhaltung.
    Messer Giovanni fuhr fort, als habe er es nicht gehört. »Ich habe Lorenzo verschiedentlich gebeten, Fra Girolamo zu sich zu rufen - doch il Magnifico wurmt es noch immer, dass San Marcos neuer

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