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Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Titel: Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Chaos.
    Da es Ende Februar war, zog ich das ärmellose Überkleid an - den Brokat, gesäumt von einem dicken Streifen Damast, dann von weißem Hermelin. Es stand in der Mitte offen, um die volle Pracht des Kleides zur Geltung zu bringen. Um den Hals trug ich die Perlenkette meiner Mutter mit einem großen Anhänger aus Aquamarin; sie war so angepasst, dass sie gerade bis ans Mieder reichte und der Stein kalt auf meiner Haut ruhte.
    Schließlich und endlich zog Zalumma mich vor einen mannshohen Spiegel. Ich holte tief Luft. So hübsch hatte ich mich noch nie gesehen; nie zuvor war die Ähnlichkeit mit meiner Mutter so frappierend.
    Als Zalumma mich zu meinem wartenden Vater nach unten führte, dachte ich, er würde in Tränen ausbrechen.
    Ich saß neben meinem Vater in der Kutsche wie schon so oft, wenn ich ihn geschäftlich zu den Adelshäusern begleitet hatte. Ich trug ein dunkelblaues Wollcape, das meine feine Aufmachung verbarg, um den Luxusgesetzen zu entsprechen.
    Während der Fahrt war mein Vater finster und schweigsam; mit verstörtem Blick starrte er auf die spätwinterliche Landschaft und blinzelte unter der hellen Nachmittagssonne. Er war in seiner üblichen Aufmachung, einer schlichten schwarzen Wolltunika, einer abgetragenen
    Kniehose und einem schwarzen Umhang - dem Anlass, zu dem wir geladen waren, ganz und gar nicht angemessen.
    Die Nachmittagsluft war angenehm frisch und roch nach dem Rauch zahlloser Kamine. Wir fuhren am Arno entlang, über den Ponte Vecchio, auf dem die meisten Läden noch geöffnet waren. Mir fiel mein Überschwang beim letzten Mal ein, als ich die alte Brücke mit Zalumma und meiner Mutter überquert hatte, wie sehr ich mich an den herrlichen Werken der Künstler und Goldschmiede erfreut hatte; nun, da ich neben meinem Vater saß, war ich nicht imstande, auch nur ein Fünkchen Freude zu empfinden.
    Als wir die Brücke überquert hatten und in die breite Via Larga kamen, merkte ich, dass ich die Frage, die mich die ganze Zeit schon beschäftigt hatte, wenn überhaupt, dann jetzt stellen musste, da wir unser Ziel bald erreicht hatten.
    »Fra Girolamo hat etwas gegen die Medici«, sagte ich. »Warum bringst du mich zu Lorenzo?«
    Mein Vater schaute hinaus und strich sich über den Bart. »Wegen eines Versprechens. Eins, das ich vor langer Zeit gegeben habe.«
    Nun, vielleicht hatte Zalumma doch recht. Vielleicht hatte meine Mutter darum gebeten, dass der Gemahl ihrer Tochter vom klügsten Heiratsvermittler der Stadt ausgewählt werden sollte, und mein Vater, als er noch in meine Mutter und nicht in Savonarola vernarrt war, hatte sich einverstanden erklärt. Da er aber wusste, dass Lorenzos Gesundheitszustand sich zunehmend verschlechterte, ging mein Vater bewusst auf Nummer sicher und ließ den Bräutigam schon vorzeitig auswählen.
    Kurz darauf fuhr mein Vater die Kutsche vor die Eingangstore von Lorenzos Palazzo. Ein bewaffneter Wachtposten machte das Eisentor auf, und wir rollten hinein zu den Ställen. Ich wartete, dass mein Vater sich erhob und mir hinaushalf, um mich dann an seinem Arm in den Palazzo zu geleiten. Zum ersten Mal seit Jahren war ich für seine Anwesenheit dankbar.
    Doch er überraschte mich. »Warte«, sagte er und streckte einen Arm aus, um mich in Schach zu halten, als ich aufstehen wollte. »Warte ab.«
    Ich wurde von Vorahnungen gequält, bis nach einer geraumen Weile die Seitentüren zum Palast aufgerissen wurden und ein Mann mit zwei Wachen im Gefolge langsam, vorsichtig heraustrat, sich auf einen fein geschnitzten Krückstock aus Holz und Gold stützend.
    In den Monaten, seit ich ihn zum ersten Mal gesehen hatte, war Lorenzo alt geworden; obwohl er nur knapp über vierzig war, sah er um Jahrzehnte älter aus. Seine Haut war eingefallen, gelblich. Ein Umstand deutete allerdings auf sein relativ junges Alter hin: Er hatte pechschwarze Haare ohne eine einzige graue Strähne.
    Doch selbst auf den Stock gestützt bewegte er sich mit Anmut, Würde und der Selbstsicherheit eines Mannes, der nie seine eigene Wichtigkeit in Frage gestellt hatte. Er warf einen Blick über die Schulter auf eine der Wachen und nickte kurz; der aufgeforderte Mann eilte vor und bot mir seinen Arm. Ich ließ mir von ihm aus der Kutsche helfen.
    Mein Vater stieg hinter mir aus und verneigte sich vor unserem Gastgeber, der uns entgegenkam.
    »Der Herr sei mit Euch, Ser Antonio«, sagte il Magnifico.
    »Und mit Euch, Ser Lorenzo«, erwiderte mein Vater.
    »Das ist also unsere

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