Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis
loderten, ziemlich warm. Auch hier waren alte Rüstungen und Waffen ausgestellt, Marmorbüsten auf Sockeln, atemberaubend schöne Wandbehänge - einer davon, in den florentinischen Farben Blau und Gold, stellte das Wappen der Medici mit den palle dar. An den Wänden hingen Gemälde mit heidnischen Themen; was nicht verhängt war, hatte man mit Girlanden aus Bändern geschmückt, verziert durch üppige Masken, ein Verweis auf den Karneval.
Lange Tische - beladen mit gebratenem Lamm, Schwein und allen nur denkbaren Geflügelarten sowie Nüssen, Obst, Brot, Käse und Süßspeisen - waren an die Wände geschoben worden. Es sollte jedoch kein formelles Essen stattfinden; die dergestalt arrangierten Gerichte waren jedem Gast zu jeder Zeit zugänglich. Diener reichten Teller und Bestecke, trugen leere Kelche und Weinkaraffen herum. Die Gäste bedienten sich an den Erfrischungen, standen zusammen und unterhielten sich oder setzten sich auf bequeme Stühle, die in Gruppen angeordnet waren.
Ich traf als Letzte ein: Der Wein war offenbar schon geraume Zeit geflossen, denn die Gespräche waren lebhaft und ziemlich laut, im Wettstreit mit den Musikern. Ich war zu überwältigt, um tatsächlich zu zählen, hatte jedoch den Eindruck, dass mindestens dreißig Personen im Raum waren.
Und ich war die einzige Frau.
Wie es für Mädchen üblich war, die für eine Heirat in Betracht kamen, rechnete ich damit, dass die Gespräche verstummen würden; ich erwartete, dass die Männer sich umdrehen würden, wenn Lorenzo verkündete, dass ich eingetroffen sei, um mich genau in Augenschein zu nehmen.
Lorenzo aber sagte nichts, und als wir den Raum betraten, schauten die Männer, die verschiedene kleine Gruppen bildeten - manche lachten, manche diskutierten, andere wiederum erzählten Geschichten - kaum zu uns auf.
Ich sah mich suchend um in der Hoffnung, wenigstens ein weibliches Gesicht zu finden - vielleicht Lorenzos Schwiegertochter Madonna Alfonsina -, aber ich konnte sie nirgends entdecken. Es handelte sich um eine Versammlung von Männern, und ich fragte mich unwillkürlich, ob mein zukünftiger Ehemann darunter war.
»Das sind meine Freunde.« Lorenzo versuchte mit seiner quäkenden Stimme den Lärm zu übertönen. »Ich war eine Zeit lang nicht imstande, ihre Gesellschaft zu genießen. Da Karneval ist, dachte ich, sie würden sich über eine kleine Unterhaltung freuen.« Er neigte den Kopf und lächelte mir zu. »Was ich von Euch ebenfalls hoffe.«
Ich lehnte nicht ab, als er einen Diener zu sich rief, der einen Kelch aus erlesenem Gold brachte, verziert mit den dunkelsten Lapislazuli, die ich je gesehen hatte. Er enthielt gewässerten Wein, den köstlichsten, den ich je getrunken hatte. Der Kelch war unanständig voll.
»Das ist ziemlich viel Wein«, stellte ich fest und verfluchte mich sogleich im Stillen für diese Bemerkung.
Seine Miene wurde listig und ausgelassen. »Vielleicht braucht Ihr ihn noch.«
Daran hatte ich keinen Zweifel. »Trinkt Ihr denn nichts?«
Er schüttelte den Kopf, jetzt mit einfältigem Lächeln. »Meine Zeit des Schwelgens ist längst vorbei, fürchte ich. Hier« - er schaute auf und deutete mit seinem spitzen Kinn auf eine kleine Gruppe von Männern, die in der Mitte des Raumes saß -, »ich würde Euch gern einigen meiner besten Freunde vorstellen.«
Hastig trank ich einen Schluck Wein. Also sollte ich schließlich doch beurteilt werden - noch dazu von den engsten Verbündeten der Medici. Ich setzte rasch ein kleines, sittsames Lächeln auf und ging Arm in Arm mit meinem Gastgeber weiter.
Il Magnifico steuerte auf vier Männer zu, von denen drei saßen und einer an einem Tisch stand, auf dem gefüllte Teller und Weinkelche abgestellt waren. Der Stehende, der gerade das Wort führte, näherte sich vom Alter her der Halbjahrhundertmarke. Sein blondes Haar hatte graue Strähnen, sein Körper war fleischig, das glatt rasierte Gesicht vom Trinken aufgedunsen; dennoch sah man, dass er als junger Mann recht gut ausgesehen haben musste, denn er hatte volle, sinnliche Lippen und große Augen unter schweren Lidern. Allem Anschein nach war er wohlhabend, er trug einen saphirblauen farsetto aus Samt unter einem elegant drapierten himmelblauen Umhang. In einer Hand hatte er einen kleinen, überhäuften Teller, in der anderen das winzige Bein einer gebratenen Wachtel, das er hochhielt und ansprach, als könnte es ihn hören.
»Ach, du süßer Vogel«, spottete er, »wie tragisch für dich, dass du nie von
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