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Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Titel: Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Lisa?«
    »Ja.«
    »Madonna Lisa.« Lorenzo verneigte sich steif und vorsichtig aus den Schultern. »Verzeiht, wenn ich keinen Kniefall mache, wie es einer so schönen jungen Frau angemessen wäre.«
    »Ser Lorenzo.« Ich machte einen tiefen Knicks, innerlich aufgewühlt.
    »Lisa.« Mein Vater redete leise und schnell auf mich ein. »Ich lasse dich in der Obhut von Ser Lorenzo. Ich werde hier in der Kapelle sein und am Vespergottesdienst teilnehmen. Wenn du fertig bist, hole ich dich ab.«
    »Aber Vater ...«, hob ich an; bevor ich jedoch weitersprechen konnte, hatte er sich erneut vor Ser Lorenzo verbeugt und folgte einer der Wachen in den Palazzo.
    Ich blieb allein zurück. Da erst wurde mir die Absicht meines Vaters klar: Niemand außer den direkt beteiligten Parteien würde je erfahren, dass er mich hierher gebracht hatte. Auch jene, die uns durch das Tor hatten kommen sehen, würden davon ausgehen, dass er nur seinen Geschäften nachging und - wie gewöhnlich in Begleitung seiner Tochter - Ser Lorenzo mit Wollstoffen belieferte.
    Von Panik ergriffen, wandte ich mich zu il Magnifico um.
    Er lächelte mir aufmunternd zu. Seine Augen waren verblüffend; er schaute mich freundlich und beruhigend an, doch darunter lag ein atemberaubend kluges, feinfühliges Strahlen. »Habt keine Angst, junge Madonna«, sagte er mit schwacher, nasaler Stimme. »Euer Vater hat persönliche und religiöse Gründe dafür, dass ihm unsere Zusammenkunft unbehaglich ist; da ist es doch netter, ihn von einer solchen Verpflichtung zu entbinden, meint Ihr nicht auch?«
    Er reichte mir seinen freien Arm, und ich hakte mich bei ihm unter, sodass meine Hand leicht auf seinem Handgelenk auflag. Seine Hände waren knorrig, die Finger derart missgestaltet, dass sie übereinanderlagen. Er war kaum imstande, seinen Stock zu halten. Vermutlich hatte er seit Jahren keine Schreibfeder mehr benutzt.
    Gemeinsam setzten wir uns in Bewegung. Ich spürte, dass er einen großen Teil des Gewichts an den Krückstock abgab, deshalb versuchte ich, ihn eher zu stützen denn zu behindern.
    »Ja«, sagte ich - etwas dümmlich, denn mein Verstand hatte sich verflüchtigt. »Er hat gesellschaftliche Verpflichtungen noch nie gemocht; ich kann mich tatsächlich nicht daran erinnern, wann er zuletzt einer solchen nachgegangen wäre.«
    »Ich fürchte, Ihr müsst heute Abend mit mir als Begleiter vorliebnehmen«, sagte er, als wir auf den Eingang zusteuerten. »Und das tut mir leid. Jede junge Frau im heiratsfähigen Alter, die mein Haus betreten hat, war schon nervös genug, doch die anderen konnten sich wenigstens mit der Anwesenheit von Familienangehörigen trösten.«
    »Ihrer Mütter und Schwestern«,.fügte ich hinzu und dachte, dass ich beides nicht hatte.
    Er nickte und sagte dann leise: »Ich hoffe, liebe Lisa, dass Ihr Euch nicht schrecklich unbehaglich fühlt.«
    »Ich bin verängstigt«, antwortete ich mit aller Ernsthaftigkeit und errötete dann ob meiner unbeabsichtigten Offenheit.
    Er wandte das Gesicht in die untergehende Sonne und lachte. »Es gefällt mir, dass Ihr ehrlich seid und dazu neigt, offen zu sprechen, Madonna. Es wird Euch besser ergehen als den meisten anderen.«
    Wir kamen an bewaffneten Wachen vorbei in eine weiträumige Eingangshalle mit poliertem Marmorboden und einer Ausstellung jahrhundertealter Rüstungen und Waffen; von dort gelangten wir in einen weiteren Korridor, dessen Wände mit Bildern in vergoldeten Rahmen geschmückt waren.
    »Ich habe Eurem Vater mein Beileid zum Tode Eurer Mutter ausgesprochen«, sagte Ser Lorenzo. »Jetzt würde ich Euch gern kondolieren. Madonna Lucrezia war eine großartige Frau von großer Schönheit und Intelligenz; keine hatte eine edlere Seele.«
    Ich schaute ihn von der Seite an. »Ihr habt sie gekannt?«
    Er lächelte matt. »Gut sogar, als sie jünger war.« Mehr sagte er nicht, denn wir hatten das Ende des Korridors erreicht und standen vor hohen Bogentüren. Zwei Diener rissen sie für uns auf.
    Ich rechnete mit einem Raum von bescheidener Größe, in dem sich höchstens ein Dutzend florentinischer Adelsfrauen drängten. Was mich erwartete, war etwas ganz anderes.
    Der Raum hätte leicht mehr als hundert Menschen gefasst; er hatte eine hohe Decke und war weiträumig wie ein Kirchenschiff. Die Sonne war noch nicht untergegangen, dennoch brannten bereits Fackeln und Kandelaber jeder Form und Größe. Trotz der Ausmaße des Raumes war es angesichts von drei großen Kaminen, in denen die Flammen hell

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