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Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Titel: Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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den Arm und lehnte sich schwer auf das Geländer, während ich den anderen Arm fest im Griff hielt und ihn, so gut ich konnte, stützte.
    Schließlich erreichten wir das obere Geschoss; er stieß einen langen Seufzer aus und blieb einen Moment stehen, um wieder zu Kräften zu kommen. »Ihr müsst Nachsicht mit mir haben.« Er stieß seine Worte leise keuchend hervor. »Ich hatte in letzter Zeit keine Gelegenheit, meine Beine zu trainieren. Doch mit jedem Versuch werden sie kräftiger.«
    »Gewiss«, murmelte ich. Dann warteten wir, bis er wieder leichter atmen konnte. Er führte mich zu einer großen, von einem Diener bewachten Holztür, der sie sogleich öffnete, als wir näher kamen.
    »Das ist mein Arbeitszimmer«, sagte Lorenzo beim Betreten des Raumes.
    Wie soll ich ihn nur beschreiben? Bemerkenswert war nicht die Konstruktion; er war von bescheidenem Ausmaß mit vier Wänden und einer niedrigen Decke - bestimmt nicht so beeindruckend wie das Empfangszimmer meiner Familie. Doch ganz gleich, worauf ich mein Augenmerk lenkte - auf eine Wand, auf das Marmormosaik am Boden, auf Regale und Sockel -, mein Blick fiel auf ein Juwel, eine glitzernde Antiquität, eine prächtige Schöpfung eines der namhaftesten Künstler der Welt.
    So viel Schönheit, in einem einzigen Raum versammelt, betäubte mich. Wir kamen an zwei irdenen Vasen vorbei, die mir bis an die Schultern reichten, bemalt mit herrlichen östlichen Motiven. Lorenzo nahm sie mit beifälligem Nik-ken zur Kenntnis. »Ein Geschenk«, sagte er, »vom Sultan Qa'it Bey.« Er zeigte an die Wand. »Ein Porträt meines alten Freundes Galeazzo Maria Sforza - Herzog von Mailand, bevor er starb und Ludovico seinen Platz einnahm. Und dort, ein Gemälde von Uccello, und del Pollaiuolo, einem meiner Lieblinge.« Diese Namen waren jedem gebildeten Florentiner ein Begriff, obwohl nur wenige das Glück hatten, ihre Werke mit eigenen Augen zu sehen. »Und da ist ein schönes Werk von Fra Angelico.«
    Fra Angelico: Das war der berühmte Dominikanermönch, der auf Geheiß von Cosimo de' Medici die Wände des Klosters San Marco mit prächtigen Fresken verziert hatte - sogar in den Zellen der Klosterbrüder. Als ich mir das Gemälde ansah, fragte ich mich unwillkürlich, ob Savonarola diesen überflüssigen Schmuck wohl guthieß. Der heilige Sebastian, unser Beschützer vor der Pest, war in seinen Todesqualen dargestellt; seine sanften Augen blickten gen Himmel, während er, an einen Baum gebunden, zusammenbrach; sein Körper, ja sogar seine Stirn waren grausam von Pfeilen durchbohrt.
    Bevor ich auch nur anfangen konnte, diese Wunderwerke auf mich wirken zu lassen, forderte Lorenzo erneut meine Aufmerksamkeit. Er führte mich an einen langen Tisch, der »einen Teil meiner Münz- und Edelsteinsammlung« enthielt. Direkt darüber war eine Wandleuchte angebracht, sodass sich das Licht im glänzenden Metall und in den Edelsteinen spiegelte und eine bezaubernde Wirkung erzielte. Etwa zweihundert Exponate waren zu besichtigen. Ich hatte mir nie vorstellen können, dass ein solcher Reichtum auf der Welt existierte, erst recht nicht in Florenz.
    »Die sind aus der Cäsarenzeit.« Er deutete auf eine Reihe matter, abgeschliffener Münzen, von denen viele ungleichmäßig geformt waren. »Andere stammen aus Konstantinopel und dem Orient. Hier.« Ungeschickt hob er einen Rubin hoch, der halb so groß wie seine Faust war, und hielt ihn mir hin. Er lachte über meine mangelnde Bereitschaft, danach zu greifen. »Ist schon gut, mein Kind, er beißt nicht. Haltet ihn ans Licht, so, und sucht nach Unregelmäßigkeiten - Sprüngen oder winzigen Bläschen im Stein. Ihr werdet nichts finden.«
    Ich folgte seinen Anweisungen - versuchte, nicht zu zittern angesichts der Tatsache, dass ich ein größeres Vermögen als das meines Vaters in Händen hielt - und schaute durch den Stein hindurch auf die Lampe, die nun in Karmesinrot getaucht war. »Er ist schön.«
    Er nickte zufrieden, als ich ihm den Rubin zurückgab. »Wir haben auch viele Medaillons, die von unseren talentiertesten Künstlern entworfen wurden. Hier ist eins, das unser Leonardo vor vielen Jahren gemacht hat. Es ist ziemlich selten; davon wurden nur wenige gegossen.« Er legte den Rubin fast nachlässig wieder an seinen Platz, um dann mit größerer Ehrfurcht nach einer Goldmünze zu greifen; eine leichte Melancholie bemächtigte sich seiner.
    Ich nahm das Medaillon und las die Inschrift:
    ÖFFENTLICHE TRAUER. Da war Giuliano zu sehen, die

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