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Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Titel: Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Hände vergeblich gegen die Klingen erhebend, die seine Mörder schwangen. Während ich seine Schönheit durchaus zu schätzen wusste, erschauerte ich zugleich innerlich, als ich an Zalummas Erzählung über Messer Iacopos Leiche dachte. Achtzig Männer in fünf Tagen, hatte mein Vater gesagt. War dieser freundliche Mann solcher Verbrechen fähig?
    »Bitte«, sagte er. »Nehmt es als Geschenk an.«
    »Ich habe schon eins«, sagte ich - und war im selben Augenblick verlegen über meine gedankenlose Reaktion auf ein so undenkbar großzügiges Angebot. »Meine Mutter hat es mir geschenkt.«
    Er hatte mich durchdringend betrachtet; bei meinen Worten wurde sein Blick noch schärfer, um dann allmählich wieder weicher zu werden. »Aber gewiss«, sagte er. »Ich hatte ganz vergessen, dass ich ein paar davon an Freunde verschenkt habe.«
    Er schenkte mir stattdessen ein anderes Medaillon, das ein Bild seines Großvaters Cosimo und das Wappen der Medici darstellte. Es war von einem anderen Künstler, der zwar begabt war, dem es jedoch an Leonardos Raffinesse fehlte; dennoch war ich schlichtweg verblüfft über il Mag-nificos Großzügigkeit.
    Danach ermüdete er sichtlich, bestand aber darauf, mir noch eine weitere Sammlung zu zeigen, Kameen aus Chal-cedon, die vom hellsten Weiß bis zum dunkelsten Grau rangierten, sowie eine weitere aus strahlend roten und orangefarbenen Karneolen. Die meisten waren Intaglioar-beiten, herrlich in den Stein geschnitzt, manche waren vom berühmten Ghiberti mit Gold eingelegt.
    Es gab auch noch eine Sammlung von Kelchen, aus kostbaren Steinen gearbeitet, besetzt mit Juwelen und mit Silber und Gold verziert; doch da war Lorenzo schon bei-nahe am Ende seiner Kräfte, sodass er davon nichts auswählte. Stattdessen führte er mich zu einem Sockel, auf dem eine einzige flache Schüssel stand - etwas größer als die, von der ich mein Abendessen einnahm.
    »Auch die ist aus Chalcedon, obwohl die Schale selbst rötlich-braun ist«, sagte er, nur noch heiser flüsternd. Vor dem dunkleren Hintergrund war eine milchige Kamee von einigen Gestalten aus der Antike. »Das ist mein allergrößter Schatz. Es ist Osiris, der das Füllhorn hält, und hier ist seine Frau Isis, sitzend. Ihr Sohn Horus pflügt die Erde.« Er hielt inne. Stolz mischte sich in seinen Tonfall. »Dieser Kelch wurde von den Königen und Königinnen von Ägypten bei ihren Ritualen benutzt. Kleopatra persönlich hat daraus getrunken. Als Octavian sie besiegte, galt er eine Zeit lang als verschollen, dann tauchte er in Konstantinopel wieder auf. Von dort aus reiste der Kelch an den Hof von König Alfonso in Neapel. Schließlich gelangte er nach Rom, wo ich ihn dann erstand.« Er sah mir meine kaum verhohlene Ungeduld an und lächelte. »Nur zu. Berührt ihn.«
    Das ließ ich mir nicht zweimal sagen, bewundernd betrachtete ich die Perfektion des Kunstwerks trotz seines Alters; es war so makellos, dass ich vor Lorenzos Erläuterungen angenommen hatte, es wäre eine weitere zeitgenössische Schöpfung aus Florenz. Die Ränder waren kalt und vollkommen glatt. Lächelnd schaute ich mich nach Lorenzo um und bemerkte, dass er mit großer Zuneigung und Freude nicht den Kelch, sondern mich betrachtete.
    Meine Begeisterung wurde von lauten Schritten unterbrochen. Ich wandte mich um und erblickte Giovanni Pico, einen Kelch mit dunkler Flüssigkeit in der Hand. Er war ebenso überrascht, mich zu sehen, wie umgekehrt. Überrumpelt wich ich zurück. Er lächelte höflich, was mir nicht gelang.
    »Ach was, das ist ja Antonio Gherardinis Tochter«, bemerkte er. Ich bezweifle, dass er sich an meinen Namen erinnerte. »Wie geht es Euch, meine Liebe?«
    Lorenzo sah ihn sehr müde an. »Ihr kennt also unsere Madonna Lisa, Giovanni.«
    »Ich bin eng mit Antonio befreundet.« Pico nahm mich mit kurzem Kopfnicken zur Kenntnis. Es war unhöflich, aber ich sagte nichts; ich hatte Graf Pico seit der Beisetzung meiner Mutter nicht mehr gesehen. Während er danach häufig zu Besuch bei meinem Vater war, hatte ich mich geweigert, ihn zu empfangen, und war in meinem Zimmer geblieben. Trotz seines höflichen Verhaltens in diesem Augenblick wusste er sicher, dass ich ihn verabscheute.
    Picos Miene war gefasst, er konnte aber seine Neugier über meine Anwesenheit nicht ganz verbergen; er gehörte zwar dem Haushalt der Medici an, hatte jedoch offensichtlich weder mit der Feier an diesem Abend zu tun, noch kannte er den Anlass. »Ich habe Euch gesucht, Lorenzo«, schimpfte

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