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Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Titel: Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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er freundschaftlich. »Ihr habt den Zeitpunkt für die Einnahme Eurer Medizin verpasst.« Er lächelte mir wissend zu. »Unser Gastgeber ist oft zu sehr damit beschäftigt, sich um die Bedürfnisse anderer zu kümmern, statt an seine eigene Gesundheit zu denken.«
    Lorenzo schnitt eine leichte Grimasse. »Ser Giovanni ist seit vielen Jahren einer unserer geschätztesten Gäste. Wir sind in bestimmten Dingen nicht einer Meinung ... doch wir bleiben Freunde.«
    »Ich werde Euch noch konvertieren«, erwiderte Pico gut gelaunt. Trotzdem lag ein gewisses Unbehagen in der Luft, als wäre ihre Verbundenheit inzwischen aus Nützlichkeit und dem Wunsch geschmiedet, den anderen im Auge zu behalten. »Verzeiht, wenn ich Eure Unterhaltung unterbrochen habe. Bitte, Madonna Lisa, Ser Lorenzo, fahrt nur fort. Ich werde geduldig warten, bis Ihr fertig seid. Aber, lieber Lorenzo, vergesst Eure Gesundheit nicht.«
    Lorenzo bemerkte meinen neugierigen Blick auf den Heiltrank; schließlich hatte er Leonardo und mich im Hof stehen lassen unter dem Vorwand, er wolle hineingehen, um ihn einzunehmen. »Ich wurde ... von anderen Geschäften aufgehalten«, raunte er mir zu.
    »Ihr wart sehr großzügig, Ser Lorenzo«, sagte ich und dachte nur noch an Flucht, denn Picos Nähe machte mich nervös; die Erinnerung an den Tod meiner Mutter war nach wie vor zu frisch. »Aber ich glaube, eine Ruhepause täte Euch gut. Mit Eurer Erlaubnis will ich mich jetzt verabschieden.«
    Vielleicht hörte er mir meine Not an - womöglich war er auch nur zu erschöpft, denn er protestierte nicht. »Lasst den Heiltrank hier«, sagte er zu Pico. »Sorgt dafür, dass Ser Antonios Kutsche bereitsteht, und sagt ihm, seine Tochter werde ihn dort treffen. Ihr findet ihn in der Kapelle. Dann sucht Piero und schickt ihn zu mir.«
    Ich war zutiefst erleichtert, als Pico gegangen war. Kaum war er draußen, sagte il Magnifico: »Die Gegenwart von Ser Giovanni regt Euch auf.«
    Ich starrte auf den glänzenden Marmorboden. »Er war dabei, als meine Mutter starb.«
    »Ja, ich erinnere mich, dass er davon sprach.« Er sammelte seine Gedanken. »Es gibt nichts Schlimmeres, als einen geliebten Menschen zu verlieren. Ein früher Tod, ein ungerechter obendrein, löst den größten Kummer aus. Er lässt nur allzu leicht Hass ins Herz einkehren.« Er schlug die Augen nieder. »Ich habe aus Rache um mich geschlagen, als mein Bruder starb. Das verfolgt mich heute.« Er hielt inne und starrte auf die Stelle, an der Pico gestanden hatte. »Ser Giovanni ist ein Mann, der zu großen Extremen neigt. Es gibt keinen gebildeteren Menschen als ihn, doch sein Herz gehört nun dem Mönch Girolamo. Die Welt hat einen ihrer größten Philosophen verloren. Habt Ihr von seiner Theorie des Synkretismus gehört?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Sie geht davon aus, dass alle Philosophien und Religionen den Kern der Wahrheit enthalten - und alle beinhalten Irrtümer. Unser Giovanni sagt, jede einzelne sollte überprüft werden, um allgemeine Wahrheiten zu bestimmen und die Trugschlüsse fallen zu lassen.« Er lächelte bitter. »Dafür hätte der Papst ihn gern auf den Scheiterhaufen geschickt. Vor zwei Jahren kam er hierher und bat mich um meinen Schutz. Nun unterstützt er einen Mann, der mich am liebsten zu Fall brächte.«
    Seine Miene verfinsterte sich schlagartig; er stieß einen Seufzer aus, der aus seinem tiefsten Innern zu kommen schien. »Kind, ich muss unhöflich sein und darum bitten, mich in Eurer Gegenwart setzen zu dürfen. Dieser Abend war weitaus kräftezehrender, als ich erwartet hatte.«
    Ich half ihm auf einen Stuhl. Diesmal stützte er sich schwer auf meinen Arm, da er nicht mehr imstande war, vorzugeben, er habe sich weitgehend erholt. Leise aufstöhnend setzte er sich unter das Bild des sterbenden Sebastian und lehnte sich an die Wand. Er schloss die Augen; im Schatten des Fackellichts wirkte er doppelt so alt. Ängstlich fragte ich: »Soll ich Euch die Arznei bringen?«
    Er lächelte matt, schlug dann die Augen auf und sah mich liebevoll an. »Nein. Aber würdet Ihr die Hand eines alten Mannes halten, meine Liebe, um mich zu trösten, bis Piero kommt?«
    »Gewiss doch.« Ich stellte mich neben ihn und beugte mich leicht vor, um seine Hand zu nehmen; sie war kalt und so dürr, dass man ohne weiteres die verdrehten Knochen spürte.
    So verharrten wir in behaglichem Einvernehmen, bis il
    Magnifico leise fragte: »Wenn ich noch einmal nach Euch schicken lasse, Lisa, werdet Ihr

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