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Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Titel: Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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aus Sensibilität und aus Achtung vor deinem Kummer. Allein, ich fürchte um deine Seele. Morgen wirst du mit mir kommen und Savonarola predigen hören. Und du wirst Gott bitten, deine Gedanken von weltlichen Dingen auf himmlische zu lenken. Außerdem wirst du um Vergebung für deine Wut auf Fra Girolamo beten.«
    Ich legte die geballten Fäuste auf den Tisch, verbittert durch die Erkenntnis, dass eine strahlende, schöne Welt -eine Welt, erfüllt von Kunst und den Medici, von Leonardo und der Erschaffung meines Ebenbildes durch feinfühlige, geschickte Hände - mir verwehrt sein sollte. »Du solltest Gott um Vergebung bitten. Du hast doch die Krankheit deiner Frau verursacht; du hast sie in den Tod geführt. Und jetzt tust du dich mit ihren Mördern zusammen und verschließt vor ihrer Schuld die Augen, um nur ja deine eigene nicht sehen zu müssen.«
    Er stand so abrupt auf, dass der Stuhl hinter ihm unangenehm laut über den Steinboden scharrte. Tränen der Wut schossen ihm in die Augen; seine rechte Hand zitterte, als er sich alle Mühe gab, sie nicht gegen diejenige zu erheben, die seinen Zorn erregt hatte. »Du weißt nichts ... gar nichts. Ich bitte dich nur darum, weil ich dich liebe! Möge Gott dir verzeihen.«
    »Möge Gott dir verzeihen«, entgegnete ich. Ich erhob mich von meinem Stuhl und drehte mich mit wehenden Rockschößen um; es verschaffte mir ein wenig Befriedigung, dass ich den Raum noch vor ihm verließ.
    Als ich spät in jener Nacht im Bett lag und Zalummas regelmäßigen Atemzügen und meinem knurrenden Magen lauschte, überließ ich mich meiner Enttäuschung. Dass ich Giuliano nicht treffen konnte, verstärkte mein Verlangen nur noch mehr, ihn wiederzusehen.
    In den kurzen Momenten, da ich mich nicht in Selbstmitleid erging, dachte ich darüber nach, was mein Vater gesagt hatte. War er nur davon ausgegangen, dass il Magnifico nicht widerstehen konnte, einem neuen Besucher -und sei es nur einem unbedeutenden Mädchen - die Reich-tümer zu zeigen, die sein Arbeitszimmer enthielt? Oder steckte mehr hinter seinen Worten?
    Ich schlief unruhig und wachte ein paar Mal auf. Als der Morgen allmählich heraufzog, schrak ich erneut aus dem Schlaf; mein Verstand war klar und auf ein einziges Bild fokussiert: Giovanni Pico, ganz in Schwarz gekleidet, die Arznei des Arztes vorsichtig in Händen haltend.
28
    Am nächsten Morgen, als Zalumma mir half, mich für den Markt anzukleiden, klopfte es an meiner Tür.
    »Lisa«, rief mein Vater. »Beeil dich, der Kutscher wartet schon, um uns zur Messe zu fahren.«
    Also doch; er hatte tatsächlich die Absicht, die Drohung vom Vorabend wahr zu machen. Das Herz schlug mir bis zum Hals. Neugierig schaute Zalumma mich an.
    »Er will mich mit zu Savonarola nehmen«, zischte ich ihr zu. »Bei Gott, ich werde nicht gehen!«
    Zalumma, die mir unerschütterlich zur Seite stand, hörte auf, mir die Ärmel zu binden, und rief: »Sie hat sich mit dem Aufwachen Zeit gelassen und ist gleich fertig, Ser Antonio. Würdet Ihr dann noch einmal wiederkommen?«
    »Nein«, antwortete mein Vater stur und entschlossen. »Ich bleibe hier stehen, bis sie herauskommt. Sag ihr, sie soll sich beeilen; wir müssen bald aufbrechen.«
    Zalumma schaute mich an und legte einen Finger auf ihre Lippen - dann schlich sie zu einem Stuhl und bat mich gestikulierend um Hilfe. Gemeinsam hoben wir ihn leise vom Boden und trugen ihn an die Tür. Sie platzierte ihn so, dass er den Eintritt verwehrte, dann schob sie geräuschlos den Riegel vor und schloss uns ein.
    Als hätten wir uns nichts zuschulden kommen lassen, stellte ich mich wieder hin, während Zalumma mir die Ärmel weiter zuband.
    Nach einer langen Pause schlug mein Vater erneut ans Holz. »Lisa? Ich kann nicht länger warten. Zalumma, schick sie heraus.«
    Zalumma und ich schauten uns verschwörerisch an, die Augen weit aufgerissen. Das anschließende lange Schweigen wurde unterbrochen, als mein Vater versuchte, die Tür zu öffnen, dann etwas vor sich hin brummelte und erneut zu pochen begann.
    »Wage es nicht, dich mir zu widersetzen! Wie willst du vor das Angesicht Gottes treten, wenn du deinem Vater nicht gehorchst, obwohl ihm doch einzig dein Wohl am Herzen liegt?«
    Wütende Erwiderungen lagen mir auf der Zunge. Ich presste die Lippen fest zusammen und hielt den Mund.
    »Lisa, antworte mir!« Als nichts kam, rief er: »Was soll ich tun? Eine Axt holen?«
    Ich wollte noch immer nichts sagen, wenn mein Zorn mich auch aufwühlte. Nach einer

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