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Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Titel: Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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war, gehörte sein Vater doch zu den bekanntesten Notaren in Florenz. Er stammte aus einer guten Familie, die im Großen und Ganzen ähnlich wohlhabend war und das gleiche Ansehen genoss wie mein Vater.
    Als Giuliano zurückkam, war ich noch zu sehr aus der Fassung, um seinem Blick zu begegnen. Er führte mich in die kalte Nacht hinaus, vorbei an den Wachen mit Schwertern an den Hüften, und half mir in die Kutsche, ohne den verbotenen Kuss zu erwähnen. Als ich mich neben meinen Vater setzte, sagte er schlicht: »Gute Nacht, Madonna. Gute Nacht, Ser Antonio. Der Herr sei mit Euch.«
    »Und mit Euch«, erwiderte ich.
    Als wir die Auffahrt hinaus auf die Via Larga fuhren, war mein Vater zurückhaltend, besorgt; Gebet und innere Einkehr hatten wohl wenig geholfen, ihn zu beruhigen oder seinen Schmerz darüber zu lindern, sein einziges Kind in die Hände von Savonarolas Feind gegeben zu haben. Er sprach, ohne mich anzusehen.
    »Wie war es?«, fragte er kurz angebunden. »Was haben sie gemacht, dich für die Frauen ausgestellt?«
    »Es waren keine Frauen da. Nur Männer.«
    »Männer?« Er drehte den Kopf und schaute mich an.
    »Freunde von il Magnifico.« Da ich auf die Missbilligung meines Vaters gefasst war, wollte ich nicht allzu viel offenlegen, doch meine Neugier ließ mir keine Ruhe. »Viele Künstler. Darunter auch Leonardo da Vinci.« Ich hütete mich, Lorenzos Auftrag für ein Porträt von mir zu erwähnen; solche Verhandlungen würde ich besseren Diplomaten überlassen als mir. Nach einer Pause fragte ich, mit einem Mal verschüchtert: »Hat er eine Frau?«
    »Leonardo?« Zerstreut blickte mein Vater mit finsterer Miene ins Dunkel vor uns. »Nein. Er ist einer unserer bekanntesten Sodomiten. Vor Jahren wurde er angeklagt; das Verfahren wurde eingestellt, aber er lebt schon viele Jahre mit seinem >Lehrjungen<, dem jungen Salai, zusammen, der mit Sicherheit sein Geliebter ist.« Seine Stimme war flach - eigenartig in Anbetracht seiner frommen Missbilligung, die er für gewöhnlich solchen Männern entgegenbrachte.
    Offenbar unter großen Mühen, stellte er mir die entsprechenden Fragen: Wer war noch anwesend? Hatte Ser Lorenzo in irgendeiner Weise durchblicken lassen, für welchen Mann er mich passend fände? Was hatte ich dort die ganze Zeit gemacht?
    Ich antwortete knapp mit immer weniger Worten; es war ihm wohl nicht aufgefallen, dass seine abfälligen Bemerkungen über Leonardo mir einen Stich versetzt hatten. Schließlich verstummte er, verloren in einem unglücklichen Tagtraum, und wir fuhren schweigsam durch die kalte, dunkle Stadt. Ich zog das pelzgefütterte Oberkleid fest um mich, während wir über den verlassenen Ponte Santa Trinita nach Hause fuhren.

26
    In der darauffolgenden Woche nahm ich das Abendessen wieder gemeinsam mit meinem Vater ein, begierig zu erfahren, ob er eine Nachricht von Lorenzo erhalten hatte. Die Neuigkeiten über Leonardos Vorliebe für Männer setzten mir noch immer zu. Insgeheim hoffte ich, mein Vater würde sich irren oder vielleicht lügen, um mir schon im Vorfeld auszureden, einen Künstler zu heiraten, da solche Männer im Allgemeinen für unzuverlässige Ehegatten gehalten wurden. Doch ich wusste, ich hatte Zuneigung in den Augen des Künstlers aufblitzen sehen.
    In dieser Zeit erhielt ich einen kurzen Brief von dem sogenannten Sodomiten, der ohne meines Vaters Wissen zu mir geschmuggelt wurde. Als ich das Siegel aufbrach, fielen noch zwei weitere Blätter heraus, die zu Boden glitten.
    Beste Grüße, Madonna Lisa, aus Mailand.
    Unser guter Lorenzo hat mich beauftragt, ein Porträt von Euch zu malen. Ich kann mir nichts Angenehmeres vorstellen; Eure Schönheit bittet geradezu darum, für alle Zeit verewigt zu werden. Sobald ich gewisse Verpflichtungen für den ehrwürdigen Herzog Ludovico erledigt habe, komme ich für einen längeren Aufenthalt nach Florenz.
    Zu Eurer Erbauung füge ich ein paar von mir angefertigte grobe Skizzen bei. Die eine ist eine etwas sorgfältigere Ausführung und basiert auf dem Karton, den ich an jenem Abend im Palazzo der Medici erstellt habe. Die andere ist eine Kopie aus meinem Notizbuch und von besonderem Interesse für alle, die dem engeren Kreis der Medici angehören.
    Ich kann es kaum erwarten, mit der Arbeit an dem Bild anzufangen, und freue mich, Euch zu sehen, mehr als ich sagen kann.
    Euer guter Freund,
    Leonardo
    Ich hob die Papiere vom Boden auf und betrachtete sie ehrfürchtig. Jetzt war mir vollkommen klar, warum man Leonardo

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