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Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Titel: Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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kurzen Stille hörte ich ihn jammern. »Verstehst du denn nicht?«, klagte er. »Kind, ich mache das doch nicht, um grausam zu sein. Nur, weil ich dich liebe! Weil ich dich liebe! Ist es denn so schrecklich, Fra Girolamo anzuhören, wo du doch weißt, dass ich mich darüber freuen würde?«
    Sein Tonfall war so erbärmlich, dass ich mich beinahe anrühren ließ, aber ich schwieg weiter.
    »Das Ende der Welt ist gekommen, Kind«, sagte mein Vater gequält. »Das Ende aller Tage, und Gott kommt, um zu richten.« Er hielt inne und stieß dann einen herzerweichenden Seufzer aus. »Ich fühle mich so, als wäre es das Ende ... Lisa, bitte, ich kann dich nicht auch noch verlieren ...«
    Ich senkte den Kopf und hielt die Luft an. Schließlich hörte ich, wie er sich entfernte, und dann seine schweren Schritte auf der Treppe. Wir warteten eine Weile ab, aus Angst vor einer List. Zu guter Letzt gab ich Zalumma ein Zeichen, den Eingang frei zu räumen. Sie tat, wie ihr geheißen, und nach einem raschen Blick vor die Tür, um sicherzugehen, dass mein Vater fort war, winkte sie mir, mit ans Fenster zu kommen.
    Unter uns ging mein Vater allein zur Kutsche, wo der Kutscher wartete.
    Mein Triumphgefühl war nicht von langer Dauer; ich wusste, ich konnte ihm nicht ewig ausweichen.
    An jenem Abend ging ich nicht zum Essen hinunter. Zalumma schmuggelte mir einen Teller herauf, doch ich hatte nur wenig Appetit und aß wie ein Spatz.
    Es klopfte später, als ich erwartet hatte; erneut versuchte mein Vater, die Tür zu öffnen, die ich verschlossen hatte. Diesmal rief er nicht nach mir, sondern stand nur eine Weile schweigend davor, seufzte dann niedergeschlagen und zog sich zurück.
    Das ging über zwei Wochen so. Ich gewöhnte mir an, alle Mahlzeiten in meinem Zimmer einzunehmen, und wagte mich nur hinaus, wenn ich sicher sein konnte, dass mein Vater außer Haus war; oft schickte ich Zalumma allein an meiner Statt zum Markt. Nach einer Weile kam mein Vater nicht mehr an meine Tür, doch da ich ihm misstraute, ging ich ihm auch weiterhin aus dem Weg und schloss mich in mein Zimmer ein. Wenn er die Messe besuchte, schlich ich mich nach Santo Spirito, kam zu spät und verrichtete kurz meine Andacht, um dann wieder zu gehen, bevor der Gottesdienst zu Ende war.
    Wie zuvor meine Mutter war ich zu einer Gefangenen im eigenen Haus geworden.
    Drei Wochen vergingen. Die Fastenzeit brach an, und damit verstärkte sich die Inbrunst meines Vaters. Er stand häufig vor meiner Tür und predigte über die Gefahren der Eitelkeit, der Völlerei und des Wohlstands, über das Übel des Karnevals und des Prassens, wenn die Armen hungerten. Er flehte mich an, mit ihm die Messe zu besuchen. Der
    Andrang der Massen, die kamen, um den eifernden Savonarola von Florenz zu hören, war so groß - manche reisten aus der näheren Umgebung an, als sein Ruhm sich verbreitete -, dass er von der kleineren Kirche San Marco in das große Heiligtum San Lorenzo umgezogen war, in die Kirche, in der die Gebeine des ermordeten Giuliano ruhten. Trotzdem, so berichtete mein Vater, könne das Gebäude nicht alle Gläubigen aufnehmen; sie drängten sich auf die Treppe hinaus bis auf die Straße. Die Herzen der Florentiner wandten sich Gott zu.
    Ich blieb still, geschützt vom dicken Holz, das zwischen uns stand. Ich legte mir die Hände über die Ohren, um seine mahnende Stimme auszublenden.
    Das Leben wurde so freudlos, dass ich zu verzweifeln begann. Mein einziger Ausweg war eine Heirat, doch ich hatte die Hoffnung auf den Künstler aus Vinci aufgegeben, und Giuliano war angesichts seiner hohen gesellschaftlichen Stellung unerreichbar. Lorenzo indes - der allein fähig war, den Namen eines geeigneten Bräutigams auszusprechen - war zu krank, um zu reden.
    Meine Laune besserte sich jedoch, als Zalumma eines Tages lächelnd vom Markt zurückkehrte und mir einen weiteren Brief, versiegelt mit dem Wappen der Medici, in die Hand drückte.
    Liebste Madonna Lisa,
    ich bin wahrlich enttäuscht, dass Euer Vater noch immer nicht auf unseren Brief geantwortet hat, in dem wir darum baten, er möge Euch gestatten, mit uns nach Castello zu kommen. Ich kann nur annehmen, dass dies kein Versehen, sondern eine taktische Ablehnung ist. Verzeiht, wenn ich Euch nicht früher geschrieben habe. Vater war so entsetzlich krank, dass ich allmählich alle Hoffnung aufgebe. Die in Wein gelegten Edelsteine, die von den Ärzten verschrieben wurden, haben sich als nutzlos erwiesen. Wegen seines angegriffenen

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