Kalt erwischt - wie ich mit Depressionen lebe und was mir hilft
brauchen, aber noch keine Vorstellung davon haben, welche Behandlung die richtige für sie ist. Hier kann man erste Gespräche führen und sich beraten lassen, was für einen infrage kommt. Wer nicht weiÃ, ob er Medikamente braucht und damit einen Psychiater, eine ambulante Therapie bei einem niedergelassenen Psychotherapeuten, eine Tagesklinik, ein Krankenhaus, eine Selbsthilfegruppe oder ein sozialpsychiatrisches Zentrum, kann sich hier informieren. Zum zweiten richten sich die Ambulanzen an Patienten, deren Schwere der Erkrankung eine multiprofessionelle Behandlung braucht und damit das Angebot von einzelnen niedergelassenen Ãrzten oder Therapeuten übersteigt.
Die Möglichkeiten der PIA s sind meist sehr umfangreich: Es gibt Einzelgespräche, verschiedene Gruppen (Gruppentherapien sind ambulant sonst relativ selten), spezielle Sprechstunden für bestimmte Erkrankungen, soziale Hilfen und vieles mehr. In der PIA werden zum Beispiel auch Menschen behandelt, die (noch) keinen ambulanten Psychotherapeuten haben, die stationär behandelt wurden und eine nachsorgende Versorgung brauchen oder deren Therapie bereits beendet ist und die dann hier weitere Gespräche bekommen. Diese können zwischen zwanzig und fünfzig Minuten lang sein. Bei manchen Patienten finden die Sitzungen einmal die Woche statt, bei anderen alle vier oder sogar sechs Wochen. Es ist immer die Frage, wie schwer derjenige erkrankt ist und wie viele Kapazitäten die Ambulanz frei hat. Ebenfalls werden hier Menschen behandelt, die keinen niedergelassenen Psychiater haben, sondern mit einem Facharzt aus der Ambulanz ihre Medikamente besprechen, meist einmal alle vier Wochen für zwanzig Minuten.
Die Ambulanzen sind allerdings leider oft ziemlich überlaufen. Meistens sind die PIA s für Patienten aus dem Stadtteil, in dem sie liegt, oder für einen bestimmten Landkreis zuständig. Die Chance, in einer Ambulanz behandelt zu werden, hat man am ehesten in der PIA , zu deren Region man gehört; andere Ambulanzen können einen als Patienten ablehnen. Wer also in Hamburg-Eppendorf wohnt, wird nicht unbedingt von einer Ambulanz in Hamburg-Harburg behandelt. Man kann zwar immer versuchen, in der PIA seiner Wahl einen Termin zu bekommen, es kann aber sein, dass man die nehmen muss, die für einen zuständig ist.
Wenn ich das Gefühl habe, ich brauche Hilfe, ich weià aber nicht, welche es in meiner Umgebung überhaupt gibt und welche für mich die passende ist, würde ich um ein paar Gespräche in der PIA bitten und die zur Orientierung nutzen.
»Sie brauchen jemanden, der die Depression aushält«
Dr. Michael Dümpelmann lernte ich 2008 in Hamburg kennen, damals hielt er einen Vortrag mit dem Titel: »Zur praktischen Anwendung psychodynamischer Konzepte in der Psychosenbehandlung.« Das jetzige Treffen findet in seinem Arztzimmer im Asklepios Fachklinikum für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik in Tiefenbrunn bei Göttingen statt, wo er Leiter einer Abteilung ist, die für die Behandlung psychotischer und depressiver Störungen spezialisiert ist. Dieses Hospital ist mir von mehreren Therapeuten und Patienten empfohlen worden, hier werden Menschen aus ganz Deutschland aufgenommen. Dr. Dümpelmann sieht nicht so aus, wie man sich einen Psychiater vorstellt, eher wie ein Professor für Geschichte: in Erdfarben gekleidet, braune Augen, mit Schnurrbart und Geheimratsecken. Er spricht ruhig, mit fränkischem Akzent und im typischen Fachjargon der Therapeuten.
Dr. Dümpelmann, warum gibt es auf allgemeinpsychiatrischen Stationen so wenig Psychotherapie?
Es fehlt meist die Zeit, die Besetzung und oft auch die entsprechende Ausbildung bei den Mitarbeitern. Dazu kommt ein eklatanter Nachwuchsmangel. Es gibt aber auch berufspolitische Gründe, die mit der Entwicklung des Fachs Psychiatrie zu tun haben. Ich glaube aber, dass die Psychiatrie öfter besser ist als ihr Ruf. Ich kenne viele Kliniken, in denen es stützende Gespräche gibt, auch Psychiatrien, die Wert darauf legen, dass ihre Mitarbeiter konsequent psychotherapeutisch ausgebildet werden. Aber Psychotherapie als feste GröÃe ist derzeit oft nur marginal vorhanden. In vielen Psychiatrien finde ich sie jedenfalls nicht.
Psychotherapie wirkt nachweislich bei mindestens 75 Prozent der Patienten, dennoch kommt sie selten zum Einsatz. Ist das nicht schockierend?
Ja. Wobei ich glaube, dass derzeit
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