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Kalt erwischt - wie ich mit Depressionen lebe und was mir hilft

Kalt erwischt - wie ich mit Depressionen lebe und was mir hilft

Titel: Kalt erwischt - wie ich mit Depressionen lebe und was mir hilft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heide Fuhljahn
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verständlich, warum viele Menschen eine Psychotherapie auch als Bedrohung empfunden: Sie fürchten sich davor, wieder an solche Erfahrungen heranzukommen. Es ist wichtig, dass man diese Ängste ernst nimmt. Doch passives Abwarten, Schweigen und Ausblenden ist meist viel schlimmer.
    Viele Frauen argumentieren, dass ein Klinikaufenthalt wegen der Kinder nicht denkbar ist.
    In einigen Kliniken, so auch bei uns, besteht die Möglichkeit, kleine Kinder mit aufzunehmen, die während der täglichen Therapiezeiten von einer Tagesmutter versorgt werden. Man kann sich auch mit dem Jugendamt oder sozialen Trägern beraten oder sich alternativ erst einmal eine Tagesklinik suchen, was es oft erleichtert, Kinder und Therapie zu kombinieren. Es gibt viele Möglichkeiten, weshalb man sich informieren und einen Krankenhausaufenthalt nicht vorab pauschal ausschließen sollte.

18 Es ist so komplex – Depressionen und verwandte Krankheiten
    W er eine Depression hat, leidet häufiger unter einer oder mehreren damit einhergehenden Krankheiten, das Risiko liegt zwischen zwanzig und sechzig Prozent. Besonders häufig sind dabei psychische Erkrankungen wie Ess- oder Persönlichkeitsstörungen, Zwänge, Ängste, Süchte oder Schizophrenie. Auch die posttraumatische Belastungsstörung ( PTBS ) gehört dazu. 42 Nicht nur die Ursachen sind bei einer Depression komplex, sondern auch ihr Erscheinungsbild. So werden hier einige der verwandten Krankheiten vorgestellt.
    Essstörungen
    Â»Guten Tag«, sagte ich zu der jungen Frau in dem schwarz-braunen Polohemd, Mitarbeiterin einer Fast-Food-Kette. »Ich hätte gern das Menü mit den neun Chicken Nuggets, dazu süß-saure Soße, die Pommes mit Ketchup und einen großen Vanilleshake.«
    Während ich sprach, tippte die Frau die Bestellung in ihre Kasse.
    Â»Sehr gern«, sagte sie. »Darf es noch etwas sein?«
    Ich versuchte, nicht so auszusehen, als ob ich das alles selbst essen würde, denn ich schämte mich schon beim Ordern. Dabei konnte ich es kaum erwarten, mir die panierten Hähnchenstücke in den Mund zu stopfen. Eigentlich hielt ich ja Diät. Aber es war, als hätte sich in meinem Kopf ein Schalter umgelegt. Also erweiterte ich meine Bestellung. »Bitte noch zweimal die Emmentaler-Sticks mit dem Cranberry-Dip. Und einen Cheeseburger.« Am liebsten hätte ich hinzugefügt: »Beeilen Sie sich! Das ist ein Notfall!« Die Zeit, die ich warten musste, kam mir ewig vor, dabei dauerte es höchstens zwei, vielleicht drei Minuten, bis ich die braune Papiertüte voller Junkfood in den Händen hielt. Mein Puls raste, und ich fühlte mich wie kurz vor einer Panikattacke. Hastig drängelte ich mich durch die Leute, die sich in langen Schlangen eingereiht hatten, und ging vor die Tür. Dort riss ich die Packung mit den Nuggets auf, tauchte ein Hähnchenteil tief in die orangefarbene Sauce und verschlang es mit zwei Bissen. Vermutlich sah ich aus wie das Krümelmonster, doch das war mir gleichgültig. Weil ich so schnell kaute und schluckte, wie ich nur konnte, bekam ich Atemnot. In kürzester Zeit hatte ich alles aufgegessen, am Schluss leckte ich mir noch gierig die Finger ab. Parallel dazu beruhigte sich mein Herzschlag. Aufmerksam horchte ich in mich hinein. Noch ein Eis? Nein, die Dosis reichte. Die nächste halbe Stunde, als ich mit dem Bus heimfuhr, empfand ich eine angenehme innere Leere. Ich dachte nicht mehr an den Termin mit meiner Ressortleiterin, von dem ich gerade kam, nicht daran, wie hübsch und schlank sie war, nicht daran, dass sie gesagt hatte, ich müsste meinen Text umschreiben. In mir war Ruhe.
    Sechs Jahre insgesamt litt ich an der am wenigsten wissenschaftlich untersuchten Essstörung: der Binge-Eating-Disorder. Bei ihr kann man auch von Esssucht sprechen. Die Betroffenen haben immer wieder heftige Fressattacken, in denen sie auf einmal Hunderte bis Tausende von Kalorien zu sich nehmen und die Kontrolle über das, was sie in sich hineinstopfen, völlig verlieren. Anders als bei der Bulimie erbrechen sie das Gegessene aber hinterher nicht. Die Folge dieser Sucht ist daher meist, dass man viel an Gewicht zunimmt und dick wird – bei mir waren es fünfundvierzig Kilo. Die Binge-Eating-Störung tritt vorwiegend bei Frauen zwischen dreißig und fünfzig auf – ich war zweiunddreißig, als es losging. Insgesamt leiden an einer Binge-Eating-Disorder

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