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Kalt erwischt - wie ich mit Depressionen lebe und was mir hilft

Kalt erwischt - wie ich mit Depressionen lebe und was mir hilft

Titel: Kalt erwischt - wie ich mit Depressionen lebe und was mir hilft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heide Fuhljahn
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Krankschreibung steht, dem »Gelben Schein«, ist eine Kennziffer dieses Systems, die beschreibt, woran der Patient leidet. So steht das Kürzel »F41. 2« für die Diagnose »Angst und depressive Störung, gemischt« . Depressionen gehören zu den sogenannten affektiven Störungen, das heißt, durch die Kennzeichnung wird die psychische Grundstimmung festgehalten, in der sich ein Mensch befindet. Dabei unterscheidet man wiederum mehrere verschiedene affektive Störungen. Außer der Depression gibt es zum Beispiel die Manie (das Wort mania stammt aus dem Griechischen und bedeutet »Raserei«). Diese Krankheit ist sozusagen das Gegenteil einer Depression, denn die Stimmung der Betroffenen ist extrem euphorisch, sie sind getrieben, leichtsinnig und voller Ideen. Bei sogenannten bipolaren Erkrankungen wechseln sich wiederum manische und depressive Phasen ab. Depressionen sind so vielschichtig und komplex, wie der Mensch selbst ist.

3 Planet Psycho – mein erster Tag in der Klinik
    H erzlich willkommen«, sagte die junge Frau mit dem sympathischen Lächeln. »Ich bin Frau Wulf, Krankenschwester auf dieser Station.«
    Meine Freundin Birgit und ich wechselten einen überraschten Blick, so freundlich hatten wir uns die Aufnahme in die Psychiatrie nicht vorgestellt. Es war Mittwoch, der 16. August 2006. Nie hätte ich gedacht, dass ich diesen Tag einmal herbeisehnen würde. Doch nach meinem Zusammenbruch nach meiner Rückkehr aus Norwegen hatte ich mich zu Hause nur noch mit Tabletten betäubt, um die Zeit bis zur Aufnahme zu überbrücken.
    Â»Kommen Sie, ich zeige Ihnen Ihr Zimmer«, fuhr Frau Wulf fort.
    Noch leicht verdattert folgten Birgit und ich ihr mit meinem Gepäck durch einen breiten Flur im zweiten Stock der Klinik. Die Wände waren in einem hellen Gelb gestrichen, durch große Fenster flutete die Sonne. Ich war unendlich erleichtert, dass nun etwas passieren würde, dass ich mehr Therapie bekommen würde, nicht nur eine Sitzung in der Woche wie bisher. Aber natürlich fürchtete ich mich auch vor dem, was mich da erwartete. Wie würde es in der Psychiatrie sein? So wie in dem Drama Zeit des Erwachens mit Robert De Niro und Robin Williams? Also mehr wie in einem Gefängnis? Das jedenfalls war mein Bild von psychiatrischen Krankenhäusern. In den letzten fünfzehn Jahren hatte ich zwar immer mal wieder eine ambulante Therapie gemacht, trotzdem hatte ich mich bis zu diesem Sommer strikt geweigert, in eine Klinik zu gehen. Wie so viele Menschen fürchtete ich mich davor, man würde mich mit Medikamenten zudröhnen, sodass ich nur noch sabbernd in der Ecke herumsitzen würde. Meine größte Angst aber war, dass mich jemand für »nicht ganz dicht« erklären und jahrelang einsperren könnte. Oder Schlimmeres. Während der Zeit des Nationalsozialismus galten psychisch Kranke als »unwertes Leben«, als »Ballastexistenzen«. Sie wurden systematisch weggeschlossen, der Staat zwang sie aus »rassenhygienischen« Gründen zur Sterilisation, sodass sie keine Kinder mehr bekommen konnten. Viele Zehntausende wurden ermordet (Euthanasie) beziehungsweise man ließ sie verhungern. Meine Befürchtungen waren also nicht einmal aus der Luft gegriffen. 2 Nur haben sich die Behandlungsmethoden in den letzten dreißig Jahren stark verändert, was ich damals allerdings nicht wusste. Mein erster Aufenthalt war ein Sprung ins Ungewisse.
    Frau Wulf, die Krankenschwester, war am Ende des Flurs angelangt. Ich musterte sie unauffällig. Sie schien zwischen zwanzig und dreißig zu sein, hatte mittellanges blondes Haar und trug einen Rock sowie kniehohe braune Stiefel. Mit Schwung öffnete sie die Tür mit der Nummer 24 und sagte: »So, das ist Ihr Zimmer. Sie teilen es sich mit einer anderen Patientin. Packen Sie erst einmal aus, ich komme dann später wieder zu Ihnen und zeige Ihnen den Rest der Station.« Und weg war sie.
    Rechts an der Wand standen hintereinander zwei Betten, getrennt durch ein quer stehendes Regal in Schulterhöhe. Links war das Bad, und dahinter, in einer Ecke vor dem Fenster, befand sich ein Schreibtisch mit einem Stuhl. Die Wände waren sonnengelb gestrichen, die Bettwäsche hatte bunte Streifen. Birgit und ich waren kaum durch die Tür, da kam meine Zimmergenossin schon auf uns zugeschossen. Sie war ungefähr siebzig, sehr schlank, hatte hochgesteckte graubraune

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