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Kalt erwischt - wie ich mit Depressionen lebe und was mir hilft

Kalt erwischt - wie ich mit Depressionen lebe und was mir hilft

Titel: Kalt erwischt - wie ich mit Depressionen lebe und was mir hilft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heide Fuhljahn
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Klavier, ein Kontrabass und viele Trommeln, auch Flöten lagen herum und noch eine Reihe anderer Musikinstrumente, die ich nicht kannte. In dieser Therapiestunde lernte ich die weiteren Patienten aus meiner Gruppe kennen, alles Frauen verschiedensten Alters. Burgunde war nicht darunter. Zusammen mit der Therapeutin, die in ein leuchtend orangefarbenes weites Gewand gekleidet war, saßen wir in einem Kreis. Da ich ein »Neuzugang« war, sollte ich mich zuerst vorstellen. Was sagte man da? Ich entschied mich für klare Worte: »Hallo, ich bin Heide Fuhljahn. Heute Vormittag bin ich angekommen. Ich bin zweiunddreißig, arbeite als Journalistin und leide an Depressionen.« Es war mir unbehaglich, dass mich alle wie auf Kommando ansahen. Reihum sagten die Gruppenmitglieder ihren Namen, dann begannen sie ein Gespräch, wenn man das, was da gerade ablief, überhaupt als ein solches bezeichnen konnte. Nach ein paar Minuten dachte ich: Wo bin ich hier nur gelandet? Alle hackten aufeinander herum oder redeten wild durcheinander. Worum die Patientinnen eigentlich stritten, verstand ich nicht, wohl aber war der Tonfall, in dem gesprochen wurde, ziemlich heftig.
    Â»Das ist doch kein Wunder, dass dein Mann dich rausgeworfen hat, du bist ja auch unerträglich.«
    Â»Wie willst du ein Teil der Gruppe sein, wenn du nie da bist?«
    Â»Natürlich bist du eine schlechte Mutter, dir sollte man das Kind wegnehmen.«
    Mir taten die Worte schon beim Zuhören weh, obwohl ich gar nicht gemeint war. Ich begriff nicht, warum sie sich gegenseitig so sehr verletzten. Man sollte doch meinen, jeder hätte mit seinen eigenen Problemen genug an der Backe und müsste sich nicht noch in die der anderen einmischen. Die Schärfe des Tons nahm sogar während des »Gesprächs« noch zu. Sämtliche Regeln einer wohlmeinenden Kommunikation wurden vehement gebrochen.
    Â»Lass mich doch in Ruhe mit deinem Scheiß, du laberst doch eh immer das Gleiche!«
    Â»Nie kann man sich auf dich verlassen.«
    Â»Ach, das ist doch total lächerlich, was du sagst.«
    Ich war schließlich nur noch sprachlos und entschied: Bei solch offenen Streits will ich auf keinen Fall mitmachen. Und was hatte das eigentlich mit Musiktherapie zu tun? Mir war klar, dass ich mich integrieren musste, aber höchstens so weit, dass ich nicht die Aggressionen der anderen auf mich zog. Keinesfalls sollte irgendjemand aus der Gruppe mehr über mich wissen als unbedingt notwendig. Würde dies der Fall sein und jemand hätte Informationen über mich, ich würde mich verletzbar und angreifbar machen. Und während ich das überlegte, hörte ich weiterhin fassungslos zu. Die drei, die sich am meisten in den Haaren lagen, schienen keine Grenzen zu kennen mit dem, was sie den Mitpatienten an den Kopf warfen. Es war eine fürchterliche halbe Stunde.
    Endlich brach die Therapeutin die Auseinandersetzung ab und forderte uns zum Musizieren auf. Jeder nahm sich ein Musikinstrument. Die Impression, die dann folgte, war schrill und chaotisch. Schließlich verstummten alle auf ein Zeichen der Therapeutin, und in dem kurzen Abschlussgespräch, das noch folgte, ließen sich die Spannungen in der Gruppe nicht auflösen. Schockiert und verstört ging ich zurück in mein Zimmer. Burgunde, die Plaudertasche, war wenigstens freundlich.
    Nach dem Abendessen war die Abendrunde angesagt, sie fand im Gruppenraum statt. Jede Patientin aus meiner Gruppe berichtete, wie der Tag für sie verlaufen war. Erneut saßen alle im Kreis, auf Stühlen in einem schrägen Pink, ein Krankenpfleger in der Mitte. Eine dunkelhaarige jüngere Frau sagte: »Die Musiktherapie war voll scheiße, ich hab da echt keinen Bock drauf.« Gedanklich stimmte ich ihr zu, doch äußerlich blieb meine Miene unbewegt. Ansonsten fiel mir auf: Alle waren anders als ich. Es waren andere Frauen, aus anderen Schichten, anderen Welten. Sie sahen anders aus, kleideten sich anders, sprachen anders. Ich fand das beklemmend. Viel lieber wäre ich als Reporterin und nicht als Patientin in dieser Runde anwesend gewesen. Bedürftig sein, das mochte ich gar nicht. Keinesfalls wollte ich mich so gehen lassen, wie ich es bei den Frauen beobachten konnte – sowohl im Aussehen, im körperlichen wie auch im verbalen Verhalten.
    Plötzlich ängstigten mich die Probleme meiner Mitpatientinnen. Sie teilten ihr Leid ohne Rücksicht auf Nähe

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