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Kalt erwischt - wie ich mit Depressionen lebe und was mir hilft

Kalt erwischt - wie ich mit Depressionen lebe und was mir hilft

Titel: Kalt erwischt - wie ich mit Depressionen lebe und was mir hilft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heide Fuhljahn
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wurde immer schlimmer. So schlimm, dass ich inzwischen jeden Tag überlege, wie ich mich umbringen kann. Ich fing an, im Internet zu recherchieren, wie ein Selbstmord am schmerzfreiesten zu realisieren ist. Für mich ist klar: Selbst wenn die Qualen in drei Monaten weniger werden sollten, bis dahin würde ich es nicht überleben.
    Wir landen. Ich fühle mich gefangen wie in einem düsteren Albtraum, dabei ist draußen strahlendes Wetter. Das ist nicht selbstverständlich. Bergen gilt mit rund 250 Tagen Niederschlag im Jahr als die regenreichste Stadt Europas. Jetzt, am frühen Abend, sind es immer noch dreißig Grad Celsius. Ich steige in ein Taxi, und wir kommen am Hafen vorbei, die alten Holzkontore der Hansezeit am Bryggen leuchten in der Sonne in Rot, Gelb und Weiß. Ich registriere es, kann mich aber nicht an diesem schönen Bild erfreuen.
    Im Hotel angelangt, checke ich ein, nehme meinen Zimmerschlüssel in Empfang und will nur noch meine Ruhe. Meinen Rucksack packe ich nicht aus, sondern werfe mich sofort weinend aufs Bett. Es tut so weh, dass ich Philipp nicht mehr anrufen kann, um ihm zu sagen, dass ich gut an Norwegens Westküste gelandet bin.
    Wie üblich schlafe ich schlecht, und am nächsten Morgen wache ich ganz zerschlagen auf. Da wir uns erst mittags an dem Forschungsschiff treffen, reicht die Zeit noch, um über den Markt im Zentrum der Stadt zu laufen. Dort höre ich sehr viel Deutsch und beobachte einen Hund meiner Lieblingsrasse, einen schwarz-weißen Landseer. Ich versuche mich abzulenken, doch es gelingt mir nicht. Auch wie immer.
    Nach dem kurzen Stadtrundgang mache ich mich mit meinem Rucksack auf den Weg zum Boot. Der Horror trifft mich mit voller Wucht, als wir uns um zwölf Uhr vor der Johan Hjort treffen, die Pressefrau vom Institut für Meeresforschung, der leitende Wissenschaftler dieser Einrichtung, der Leiter des staatlichen Direktorats für Fischerei, die Journalisten aus den anderen Ländern und ich. Gedanken wie: Keiner darf merken, dass ich total neben mir stehe und auf der Stelle in Tränen ausbrechen könnte, hämmern auf mich ein. O Gott, ich bin hier, um zu arbeiten. Wie soll ich das nur bewältigen? Um meiner Hilflosigkeit zu entkommen, leihe ich mir einen Stift und einen Zettel und notiere einiges, etwa dass der russische Kollege aussieht wie der Böse in einem James-Bond-Film. Natürlich soll ich nicht über die anderen Journalisten, sondern über den Fischfang vor Norwegen schreiben. Aber wer weiß, so ermutige ich mich selbst, nebensächlichste Eindrücke können beim Verfassen eines Artikels auf einmal wichtig werden.
    Danach gebe ich reihum allen die Hand und stelle mich etwas verspätet vor, auf Englisch und auf Schwedisch: »Hello, my name is Heide Fuhljahn, I’m coming from Germany – hej, jag heter Heide, jag kommer frÃ¥n Tyskland.« Die Norweger antworten sehr herzlich: »Hei Heide, velkommen.« Dass ich sie auf Schwedisch begrüße, wird von ihnen begeistert registriert. Die skandinavischen Sprachen ähneln sich, und jeder Ausländer, der eine der Sprachen kann, wird interessiert aufgenommen. Daher komme ich schnell mit allen in Kontakt. Scheinbar ein guter Start. Doch nur nach außen hin ist alles in Ordnung – innerlich plagt mich weiterhin das Gefühl, gleich sterben zu müssen. Das verstärkt sich sogar noch, als wir nach der Begrüßung an Bord gehen, unsere Kajüten beziehen, das Schiff den Hafen von Bergen verlässt und der erste Vortrag auf unserem Zeitplan steht. Denn da wird alles auf Englisch erklärt. Ich verstehe kaum ein Wort, obwohl mein Englisch ganz gut ist. Aber nicht, wenn es um Fischfang geht, um seine wissenschaftlichen, sozialen und politischen Dimensionen. Noch heute weiß ich, dass immer wieder drei Buchstaben genannt wurden: IUU . Damals war mir diese Abkürzung fremd, sie steht für » i llegal, u nreported and u nregulated fishing« , was so viel heißt wie »illegales, nicht reguliertes, nicht gemeldetes Fischen«.
    Mit steigender Panik höre ich zu. Da ich nach meiner Ausbildung erst seit einem Jahr als Journalistin arbeite, bin ich längst nicht so routiniert wie die anderen. Ich will alles richtig machen und schreibe deshalb hektisch in einem lautschriftlichen Englisch mit. Zum Glück habe ich in einer Pause in einem kleinen Nebenraum einen Computer mit Internetzugang entdeckt, den wir benutzen

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