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Kalt ist der Abendhauch

Kalt ist der Abendhauch

Titel: Kalt ist der Abendhauch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Noll
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was meine Eltern aber nicht zu wissen brauchen.« Also hat sie doch einen Liebhaber eingeschleppt.
    »Kommt überhaupt nicht in Frage«, sagt Hugo, »Mitwisser können uns erpressen.«
    Cora erzählt, daß sie ein älteres Paar, Haushälterin und Gärtner, aus ihrer florentinischen Villa mitgebracht habe. Die beiden seien ihr tief ergeben, und sie habe ihnen zum Dank für ihre Treue einen kleinen Deutschlandbesuch geschenkt. Mario sei stumm, aber kräftig, und werde nachts in Windeseile ein Grab ausschaufeln. Und Emilia werde sich hüten, etwas auszuplaudern, weil Cora ihrerseits allerhand schlimme Dinge über sie wisse...
    Wir begeben uns mit den Schnapsgläsern in der Hand wieder ins Wohnzimmer. Ulrich und Evelyn würden sich wundern, wenn sie ahnten, daß ihr Töchterchen wie eine Fürstin mit Zofe und Kammerdiener zu reisen pflegt und das Schlafzimmer ihrer Eltern von einem fremden Paar bewohnen läßt. Meine Schwiegertochter ist so pingelig mit ihrer luxuriösen Bettwäsche.
    »Ich bewundere deine Energie und deinen Mut«, sagt Hugo.
    Cora winkt ab. »Man macht so etwas schließlich nicht zum ersten Mal«, sagt sie scherzhaft.
    Hugo holt die Tüte unter seinem Bett hervor. Er müsse jetzt ein zweites Mal zum Baumarkt, sagt er klagend, es reiche nicht. Cora lüftet das Geheimnis des Plastiksacks, in dem sich zwei Pakete Fertigmörtel, ein Spachtel und eine Maurerkelle befinden, von Geschenken keine Rede.
    »Heidelberg ist natürlich noch'n Zacken schärfer als die Toskana«, findet Cora. »Das Haus meiner Eltern ist von der Lage her ideal, die Panoramastraße grenzt an den Friedhof, der hintere Garten ist völlig verwildert, meine ordentlichen Alten meiden diesen Teil.«
    »Aber wenn sie sich wieder einen Hund zulegen?« »Das ist ihnen zu lästig, seit wir Kinder aus dem Haus sind, verreisen sie häufig.«
    Es schellt. »Die Polizei«, sagt Hugo schreckhaft.
    Ein absurder Gedanke, wir erhalten bloß unser Essen. Neugierig lupft Cora die Deckel. Aber anstatt die Nase zu rümpfen, greift sie nach einem Teelöffel und probiert Sauerbraten und Kartoffelklöße. »Schmeckt wunderbar, seit Monaten habe ich nur Pasta gegessen«, behauptet sie.
    Also stelle ich Teller neben die Kaffeetassen, und wir setzen das Frühstück mit dem Mittagessen fort.
    Die Haustür wird geöffnet.
    »Bei Oma geht's zu wie im Taubenschlag«, sagt Cora, »hoffentlich wollen weder Stromableser noch Schornsteinfeger in den Keller, aber diese Herren pflegen wiederum keinen Schlüssel zu besitzen.«
    Es ist Felix. Cora springt auf und umarmt ihn, ich sehe, daß der Junge rot wird. Artig gibt er Hugo und mir die Hand. »Hübsch bist du geworden, Kleiner«, sagt Cora, obgleich ihr Vetter zwei Jahre älter und ein gutes Stück größer als sie ist.
    Mir wird angst und bange, daß Cora jetzt dem unschuldigen Felix etwas von meinem Malheur verrät. Aber sie ist viel zu clever, lächelt Hugo an und sagt: »Ich habe gehört, daß Oma dir diesen reizenden Enkel bis vor kurzem vorenthalten hat!«
    »Bist du allein nach Deutschland gekommen oder mit Maja?« fragt Felix.
    »Mit Emilia und Mario, meinen italienischen Freunden«, sagt Cora. »Die beiden machen heute entweder eine Neckarfahrt oder eine Sightseeing-Tour inmitten von Amis und Japanern. Heute abend wollen wir gemeinsam aufs Schloß, es gibt eine
    Aufführung von mittelalterlich verkleideten Spielleuten, die Vagantenlieder singen. Möchtest du mitkommen?«
    »Wenn's die Gruppe >Elster Silberflug< ist, dann gern«, sagt Felix, »aber ich will erst meine Freundin fragen. Jetzt muß ich schleunigst in die Vorlesung, soll eigentlich nur schmutzige Wäsche holen; wie steht es mit Einkaufen?« Meine Kinder sind also doch nicht pflichtvergessen und haben von beiden Seiten hilfreiche Enkel geschickt. Hugo braucht sich gar nichts einzubilden auf seine Heidemarie. Aber wenn sich die ganze Mannschaft die Nacht um die Ohren schlagen will, dann wird heute nichts aus Bernhards Beerdigung! Coras Pläne sind mir unklar.
    »Weißt du was«, sagt sie zu Felix, »wir treffen uns gegen sieben oben auf dem Schloß, vor dem Ottheinrichsbau. Wenn wir früh dort sind, kriegen wir noch einen Parkplatz und können ein Bierchen trinken, bevor es anfängt.«
    Felix geht. In Coras Gegenwart verhält er sich anders als sonst, wie ein ungeschickter Stenz. Meine Enkelin freut sich. »Klappt doch alles wie geschmiert. Jetzt beladen wir mein Auto, und heute nacht kann Mario zeigen, daß er noch nicht aus der Übung ist.«
    Ich bin

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