Kalt, kaltes Herz
Rover. Ich überlegte, ob ich mich davonstehlen und auf der Route 1 nach Vermont fahren sollte, wo die Luft besser war. Doch Hancocks Beichte war mir nahegegangen. Ich wollte ihr helfen, den Psychopathen zu schnappen, der ihre Nichte abgeschlachtet hatte.
Und da war auch noch ein anderer Grund, warum ich mich nicht verdrückte – und zwar ein sehr eigennütziger. Nach meinen Erfahrungen mit Prescott, Billy und jetzt mit Westmoreland fragte ich mich mehr denn je, ob ich einer Spur der Aggression und Zerstörungswut bis zum Ende nachgehen konnte. Nur wenige Tage vor Westmorelands Tod hatte ich im Stonehill Hospital in seinem Krankenbericht gelesen, daß er auch schon in der Vergangenheit selbstmordgefährdet gewesen war. Und dennoch hatte ich ihn nicht gefragt, ob er sich etwas antun wollte. Vielleicht hätte allein diese Frage ihm das Gefühl vermittelt, daß jemand seine Verzweiflung verstand.
Und warum hatte ich Westmoreland nicht noch einmal besucht, nachdem ich aus der Krankenakte der Veteranenverwaltung wußte, welches Trauma er während des Überfalls auf Son Tay durchgemacht hatte? Fehlte mir der Mut, ihm zu helfen, sich mit dem sinnlosen Tod seines Freundes auseinanderzusetzen? Hatte ich nicht sehen wollen, daß auch George LaFountaine in diesem Gefangenenlager einen sinnlosen Tod gestorben war?
Der Streifenwagen hielt an, und ich parkte dahinter. Emma Hancock und ich gingen zur Tür der Gerichtsmedizin. »Sind Sie sicher, daß Sie sich das antun wollen?« fragte ich sie.
Sie öffnete die Tür und trat ein.
Ich folgte ihr ins Autopsielabor.
Paulson Levitsky stand, ein Klemmbrett in der Hand, wieder neben einem grauen Körper. Als wir den Seziertisch fast erreicht hatten, blickte er auf. »Die hohen Herrschaften lassen sich immer erst beim zweiten Mord blicken«, witzelte er. »Es gibt doch nichts Besseres als einen Serientäter, damit alle endlich an einem Strang ziehen.«
Hancock blieb stehen und packte mich mit ihrer fleischigen Hand am Arm. »Er braucht nicht zu wissen, daß es eine Verwandte von mir ist«, flüsterte sie.
»Irgendwann erfährt er es doch.«
»Irgendwann ist besser als jetzt.«
»In Ordnung.«
Wir näherten uns dem Tisch.
»Diesmal ist es schlimmer als bei Ms. Johnston«, erklärte Levitsky und rückte seinen Krawattenknoten zurecht. Dann zog er den stählernen Zeigestab aus der Tasche und fuhr ihn aus. »Ms. Peletier weist Verletzungen im Genitalbereich auf.«
Ich betrachtete das zerfetzte Fleisch zwischen Moniques Beinen.»Gütiger Himmel«, murmelte Hancock. »Wie Sie sehen, wurde die Klitoris entfernt.« Levitsky deutete mit dem Stab. »Außerdem fehlen die Brüste. Wieder scheint es sich bei der Waffe um eine rasiermesserscharfe Klinge von weniger als fünf Zentimetern Länge zu handeln.« Vorsichtig hob er der. Kopf der Leiche an und zeigte uns eine blau angelaufene Beule hinter dem rechten Ohr. » Todesursache war jedoch ein Schlag auf den Kopf mit einem stumpfen Gegenstand. Kann ein Kreuzschlüssel gewesen sein. Die Verletzungen erfolgten erst danach.« Sanft legte er den Kopf zurück auf den Tisch. »Die abgetrennten Körperteile sind verschwunden.«
Kopfschüttelnd betrachtete ich die verstümmelte Brust des Mädchens, dann ihr Gesicht. »Ich hab sie noch vor ein paar Stunden im Lynx Club tanzen sehn«, sagte ich.
»Wo?
« fragte Levitsky.
Ich drehte mich zu ihm um. »Im Lynx Club. Ein Striptease-Schuppen in Revere. Gestern abend habe ich dort ein paar Gläser getrunken. Sie arbeitete dort als Tänzerin, Ihr Bühnenname war Candy,«
Er zog die Augenbrauen hoch, schwieg aber.
Nach einem Blick auf Hancock wandte ich mich wieder an Levitsky. »Sie war bis auf ein Haardreieck- über den Schamlippen vollkommen rasiert, Paulson.« Ich wies auf die fragliche Stelle.
Hancock verzog das Gesicht. »Wie können Sie sich an so was erinnern?«
Ich mußte weitersprechen. »Und noch was. Sie trug einen gepiercten Ring in der Klitoris.«
»Einen Ring?« fragte Hancock.
»Die Leute haben eben verschiedene Vorlieben«, antwortete Levitsky. »In einigen Kulturen ist das Durchbohren der Klitoris nicht weiter außergewöhnlich. Bei uns jedoch handelt es sich, soweit ich weiß, um ein Ritual unter Sadomasochisten. Sie hatte Schwellungen und geringfügige Abschürfungen an den Handgelenken. Handschellen könnten eine Erklärung dafür sein.«
Ich bemerkte, daß Hancock nach den Handschellen an ihrem Gürtel tastete. »Wurde sie vergewaltigt?« fragte sie. »In ihrer Vagina wurde
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