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Kalt kommt der Tod (German Edition)

Kalt kommt der Tod (German Edition)

Titel: Kalt kommt der Tod (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Sprado
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rein«, erwiderte sie. »Eine Familienangelegenheit. Herr Riesenberg möchte auf keinen Fall gestört werden.«
    »Deshalb bin ich hier«, entgegnete Packer mit einem entwaffnenden Lächeln.
    »Er wird erfreut sein, aber erst wenn er fertig ist. Möchten Sie einen Kaffee?«
    »Ich bin sicher, er kann es kaum erwarten, mich zu sehen«, sagte Packer und stieß die Tür auf.
    O. C. Riesenberg saß bleich hinter seinem Schreibtisch. Er starrte auf einen gläsernen Briefbeschwerer mit einem eingelegten Fünfmarkstück, bei dem es sich um sein erstes selbst verdientes Geld handelte, das er als Neunjähriger mit dem Verkauf einer zuvor für zwei Mark fünfzig erworbenen Schellackplatte von Caruso gemacht hatte, ein Gewinn von hundert Prozent.
    Bei ihm war sein Schwiegersohn.
    98
    Kurt Vollmer zuckte zusammen, als er Packer sah, und wich wie vor einem Geist drei Schritte zurück.
    »Ich dachte … du und … ihr seid …«, stammelte er.
    »Was hat er dir erzählt?«, wollte Packer von Riesenberg wissen. »Auf welche Weise sind wir gestorben, hat er das auch gesagt?«
    »Ich hab ihn reden lassen«, sagte Riesenberg, »wollte hören, wie die Geschichte ausgeht, die er sich ausgedacht hat.«
    »Ich hab ihm erzählt«, stotterte Vollmer, »dass euch die Russen erwischt haben … und ihr …«
    Packer traf ihn mit dem Handrücken hart auf dem linken Ohr. Vollmer ging zu Boden. Packer drückte seinen Fuß fest auf Vollmers Hand. »Erzähl mir alles noch einmal und lass nichts aus. Eine falsche Silbe«, er verstärkte den Druck mit dem Absatz seines Schuhs, »und ich trete dir die Finger kaputt.«
    Eine Lüge reihte sich an die andere, jede wurde von Riesenberg bestätigt: Ja, genauso habe sein Schwiegersohn die Fakten vorgetragen.
    Schließlich erzählte Packer dem Alten seine Version, nach wie vor ruhte sein Fuß auf Vollmers Hand.
    »Wenn wir beiden fertig sind«, sagte er zu Vollmer, »setzt du dich an den Computer und überweist die fünf Millionen Dollar Lösegeld zurück, die er«, Packer meinte Riesenberg, »auf die LGT Bank eingezahlt hat! Du warst zu gierig, wolltest das Handgeld der Russen für die Schiffe und den Alten abkassieren.«
    »Was hättest du an meiner Stelle getan?«, schrie Vollmer mit wutverzerrtem Gesicht. »Jahrelang habe ich für ihn geschuftet und kaum mehr verdient als ein Abteilungsleiter. Ich habe es hingenommen, weil ich dachte, irgendwann ist er nicht mehr da, und dann sitze ich auf seinem Stuhl und führe die Reederei. In diesem Glauben hat er mich immer bestärkt. Als Ex-Schwiegersohn wäre dieser Traum geplatzt. Ich musste handeln und retten, was zu retten war.«
    Plötzlich stand Riesenberg auf. Er stand, tatsächlich. Stützte sich mit zitternden Armen auf der Schreibtischplatte ab und schleuderte den Briefbeschwerer auf seinen Schwiegersohn.
    »Du …!«
    Keuchend sank er wieder zurück in seinen Rollstuhl. Seine Augen kippten nach hinten, nur das Weiße war noch zu sehen.
    »Vater?«
    Packer griff nach seinem Handgelenk und fühlte den Puls. Vorhanden, aber schwach, sehr schwach. Oder lag er schon wieder falsch?
    Sekunden später war O. C. Riesenberg wieder da, ganz der Alte.
    Er zückte ein blau kariertes Taschentuch und wischte sich damit über die schweißnasse Stirn.
    Packer sah, wie er versuchte, sich zusammenzureißen. Diesmal war seine Stimme ganz leise, als er fragte: »Bis hierher habe ich alles verstanden. Und damit das klar ist, Kurt, dir glaube ich kein Wort von deinen Fantastereien. Aber die wesentliche Frage wurde bisher noch von keinem von euch beantwortet: Wo ist meine Tochter?«
    Er hob den Blick und starrte sie anklagend nacheinander an.
    »Wo ist Carolin?«
    Vollmer hielt seinem Blick trotzig stand.
    »Woher soll ich das wissen?«
    »Phong?«
    »Es gibt eine Spur, aber es ist noch zu früh, um darüber zu sprechen. In der nächsten Stunde wird sich herausstellen, ob ich recht habe.«
    »Willst du uns so lange hier festhalten?«, fragte Vollmer.
    »Nur dich, Kurt. Er«, sein Nicken galt Riesenberg, »kann selbstverständlich gehen.«
    Riesenberg bestellte Kaffee bei Frau Schröder, für Packer einen dreifachen Espresso. Als Packer sich in einem der bequemen Besuchersessel niederließ, spürte er, wie müde er war, aber der Espresso würde ihm wieder auf die Beine helfen.
    Vollmer schaute aus dem Fenster, die Hände in den Taschen vergraben. Ein tief im Wasser liegendes Binnenschiff nahm flussabwärts Kurs auf den Hafen, hinter der Bürgermeister-Smidt-Brücke verloren sich

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