Kalt kommt der Tod (German Edition)
er hier hereinspaziert war und geglaubt hatte, Choma vor vollendete Tatsachen stellen zu können, das wurde ihm nun klar. Der Präsident hatte gesprochen. Eine simple Botschaft, die jedoch weniger willfährig aufgenommen wurde, als Worobjow – und der Präsident – vermutet hatten. Jetzt musste er für diese Fehleinschätzung die Konsequenzen tragen.
»Richte dem Präsidenten aus, ich erwarte seinen Anruf«, flüsterte Choma dem Gesandten ins Ohr. »Sag ihm, wenn er mich den Bären zum Fraß vorwerfen will, wird er selbst gefressen. Habt ihr tatsächlich gedacht, mich so einfach aus dem Weg schaffen zu können? Ihr solltet eure Hausaufgaben machen. Seit ihr Chordowski und die Mädchen von ›Pussy Riot‹ ins Gefängnis gesteckt habt, weil sie euch zu unbequem wurden, sind wir anderen gewarnt. Jeder von uns weiß, er könnte der Nächste sein, deshalb sichern wir uns ab. Möchtest du hören, wie mein Fallschirm aussieht, Pjotr?«
Choma rieb Worobjows Nasenrücken so fest gegen die Scheibe, bis ein Knacken zu hören war.
»Ich hasse Gewalt«, fuhr Choma fort. »Ich finde sie widerwärtig und eines Mannes in meiner Position unwürdig. Gleichwohl verleiht sie meinen Wünschen einen gewissen Nachdruck.« Er packte Worobjow am Genick und dirigierte ihn zu einem Sessel.
»Siehst du nicht, dass dein Boss blutet?«, sagte er zu Michail. »Gib ihm ein Taschentuch und schenk ihm einen Wodka ein. Ich nehme an, jetzt wird er mir zuhören. Das wirst du doch, Pjotr?« Dabei tätschelte er mit der Hand dessen kratzige Wange.
Worobjow entzog sich ihm und legte seinen Kopf in den Nacken, drückte sich das Taschentuch, das sein hilfloser Beschützer ihm gereicht hatte, unter die Nase.
»Damit kommen Sie nicht durch«, nuschelte er. »Sie sind erledigt.«
»Das wäre ich sowieso gewesen«, erwiderte Choma, »das war klar, nachdem du mir die Nachricht des Präsidenten überbracht hast. Er will mich hängen sehen, aber so leicht, wie er sich das vorstellt, wird das nicht. Folgendes, und merke es dir gut, damit du es ihm später Wort für Wort wiederholen kannst: Meine Männer haben auf meinen besonderen Wunsch hin vorsorglich Spuren gelegt, die eine Beteiligung der russischen Regierung an der Aktion ›Pole Position‹ eindeutig dokumentieren. Ein Zeichen von mir genügt, und die Beweise werden der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Welche Folgen das für unser Land und den Präsidenten hätte, muss ich dir wohl kaum erklären.«
»Man hält uns bereits für die Aggressoren«, erwiderte Worobjow.
Auf seinem blau-weiß gestreiften Hemd zeichnete sich ein Sprühregen von Blut ab.
»Natürlich, aber ihr im Kreml habt alle Schuld auf mich abgewälzt. Nach ein paar Wochen werden sich die Gemüter der empörten Welt beruhigt haben, und der Vorfall verschwindet als marginaler Konflikt in den Akten des Kalten Krieges.«
»Und was«, fragte Worobjow, »wollen Sie dagegen unternehmen?« Er richtete sich auf. Seine Nase hatte aufgehört zu bluten. Mit keiner Miene verriet er, ob er Schmerzen hatte, doch aus eigener Erfahrung wusste Choma, dass eine gebrochene Nase höllisch wehtat. Hatte er den Putin-Freund unterschätzt? Was machte das schon.
»In mehreren Häusern von Barentsburg wurden am ersten Tag Uniformen der russischen Streitkräfte versteckt. Die Bewohner waren uns gern behilflich, als sie hörten, was wir ihnen dafür bezahlen. Neben den Uniformen versteckten wir außerdem Waffen, darunter eine Ladung AK-47-Maschinenpistolen, mehrere Dutzend Handgranaten sowie Flugzeugabwehrraketen. Alles Zeug aus russischen Armeebeständen, das man leicht zu seiner Quelle zurückverfolgen kann.«
»Wo haben Sie das her?«, wollte Worobjow wissen.
»Auf dem Schwarzmarkt kriegt man alles, wenn man Geld hat. Kein Problem, damit Waffen zu kaufen. Eure Soldaten sind ebenso korrupt wie euer ganzer Apparat.«
Choma begann die Sache Spaß zu machen. War er tatsächlich so viel schlauer als diese Klugscheißer um Putin?
»Beinahe hätte ich es vergessen«, fuhr er fort. »Irgendwo auf Spitzbergen, Sie werden niemals erraten, wo, und ihn schon gar nicht finden, steht ein Container, den ich für einen Fall wie diesen habe beiseiteschaffen lassen, ausgerüstet mit feinster Elektronik, die der amerikanische Geheimdienst sofort dem russischen FSB zuordnen wird. Mit viel Geld kann man vieles kaufen.«
Er legte eine Pause ein, um seinen nächsten Worten die gewollte Bedeutung mit auf den Weg zu geben.
»Und dann ist da noch die Frau.«
Er wusste,
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